Potsdam. Der Neue Garten und das Geheimnis am Marmorpalais.

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Potsdam. Der Neue Garten und das Geheimnis am Marmorpalais.
Potsdam. Der Neue Garten und das Geheimnis am Marmorpalais.
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Aktualisiert 2022.
Hallo! Hier gehts zu den Reisefrequenzen. Nah ist’s auch schön. Ein Kulturspaziergang durch Potsdams Neuen Garten. Von der Glienicker Brücke zum Marmorpalais.

Wir suchen die Ferne in der Nähe. Der Neue Garten in Potsdam ist immer ein schöner Ort.
Wir nehmen Sie und Euch mit zum heutigen Ziel. Nach Italien, nach Griechenland, in die Niederlande, nach Ägypten, nach England, nach Norwegen. Oder: einfach in den Neuen Garten in Potsdam. Zwischen der Havel und dem Heiligem See und zum Marmorpalais.
Der Neue Garten in Potsdam. Zwei Schlösser, ein See mit Badestelle, ein Landschaftsgarten mit alten, großen Solitärbäumen, mehrere weitere Gebäude, viel Geschichte und viele Geschichten. Ohne Stopps ist die Strecke in einer Stunde zurückgelegt, mit Muße geht, ohne daß man sich versehen hat, der ganze Tag vorüber. Damit uns keine Eile treibt, teile ich den Spaziergang in zwei. Heute spazieren wir im ersten Teil zum Marmorpalais und zur Gotischen Bibliothek.
Der Neue Garten gehört zu den Top Sehenswürdigkeiten in Potsdam und ist sicher kein Geheimtipp. Gut so. Es gibt viel zu entdecken.

Von der Glienicker Brücke nach Kongsnaes

Wir beginnen unseren Spaziergang an der Glienicker Brücke, die zum Symbol der deutschen Teilung und der Agentenaustauschthriller wurde. Den Schloßpark Glienicke lassen wir auf der Berliner Seite hinter uns, ein letzter Blick zur „Großen Neugierde“, der als Teepavillon errichteten Rotunde mit Blick auf den Jungfernsee. Oben glänzt die vergoldete ehemalige Aussichtsplattform, nachgebaut dem Athener Lysikratesmonuments. Wir verzichten fürs Erste auf Teestunden und dionysische Wettbewerbe – und gehen über die Brücke.

Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin
Die Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam

In der Mitte der Brücke läuft ein Metallband quer über die Straße. „Deutsche Teilung bis 1989“. Von hier aus schweift der Blick weit über die Havel, dieses brandenburgische Gewässer, das eigensinnig jede Sandkuhle zur Seenbildung nutzt. Links thront das Schloß Babelsberg in seinem britischen Windsor-Outfit, rechts auf der anderen Seite über dem Jungfernsee steht die Sacrower Heilandskirche direkt am Ufer. Alles, was wir sehen, gehört zum Welterbe der UNESCO, „Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin“.

Direkt nach dem Überqueren der 1907 errichteten Brücke kommen wir in Potsdam an und biegen rechts ab. Zum Spazieren auf dem Uferweg. Hier stand die Mauer. Kein See war vom Land zu sehen, der Blick durchtrennt von Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen. Acht bebilderte Stelen erinnern an die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung, an das Sperrgebiet und die Ereignisse hier an der DDR-Grenze zu West-Berlin. Inzwischen sind die Blicke frei, die Grenzanlagen seit langem abgerissen. Wir gehen vorbei an der Villa Schöningen, die 1843 von Ludwig Persius für den Hofmarschall des Prinzen Carl von Preußen, Kurd Wolfgang von Schöning errichtet wurde. Sie ist aufwendig restauriert und strahlt in weiß.

Potsdam. Der Neue Garten und das Geheimnis am Marmorpalais.

Es gibt wechselnde Ausstellungen und ein kleines Café bietet sommers Plätze unter alten, weiten Buchen. Unsere erste Station am Ufer der Havel ist Kongsnaes, die Landzunge des Königs. Eine Kaiserliche Matrosenstation im norwegischen Drachenstil, das war die Idee des Norwegenliebhabers Kaiser Wilhelm II. Bis 1895 ließ er einen Bootsschuppen, eine Empfangshalle und drei Wohnhäuser am Jungfernsee der Havel errichten. Ursprünglich gehörte das Grundstück dem Müller Craatz. Windmühle stand neben Windmühle, auf alten Stadtplänen ist das gut zu sehen. Hier, in der Mühlenhäuser Gegend, wickelte der General-Gartendirektor Peter Joseph Lenné 1841 im Auftrag des zukünftigen Königs FW IV den Kaufvertrag ab. Von nun an war das Gelände im Besitz des Monarchen. Auch solche kaufmännischen Aufgaben gehörten, ganz nebenbei, in die sonst gartengestaltende Hand Lennés.

Potsdam. Der Neue Garten und das Geheimnis am Marmorpalais.

Endlich konnte eine Anlegestelle für die „Royal Luise“ gebaut werden. Die „Royal Luise“ war eine königliche Miniaturfregatte, ein Geschenk des britischen Königs Wilhelm IV. Den neuen Anleger wollte die königliche Familie für Überfahrten zur schmucken Pfaueninsel nutzen, man war des langwierigen Landwegs überdrüssig geworden.
1850 kamen die ersten Matrosen, doch eine hübsche Station fehlte noch. Erst sollte auf der abgebrannten Mühle des Müllers Craatz ein Haus entstehen, dann ein neogotisches Ensemble á la Babelsberg. Erst Wilhelm II entschied sich nach seinen Nordlandfahrten für den Drachenstil und den Architekten Holm Hansen Munthe. Norwegen an der Havel.

Der Mauerbau teilte das Ensemble. Die Wohnhäuser wurden bewohnt, verbaut, notdürftig instand gehalten, während die Empfangshalle und der Bootsschuppen am Ende des Zweiten Weltkrieges abbrannten. Der kaiserliche Traum von Salutschüssen der Geschütze neben dem Pinasse-Schuppen war lange schon vorbei und die zum Schiffspark gehörende Schraubendampfyacht „Alexandria“ seit 1923 nach Wien verkauft. Auch die „Royal Luise“ gab es nicht mehr.
Inzwischen sind Empfangshalle und Bootsschuppen im alten Stil und ein modernes Versorgungs- gebäude durch einen privaten Investor neu errichtet. Die Restaurierungsmaßnahmen an den Wohnhäusern machen Fortschritte, sie sind hinter dem Bauzaun schon gut zu sehen. Die Differenzen um den nicht historisch gerechten Aufbau und um die Nutzung von Kongsnaes als noblen Yachthafen währten lange und bleiben bestehen.  
Bis 1998 wurde der Rahsegler „Royal Luise“ von einem Verein nachgebaut und ist seitdem auf den Berlin-Potsdamer Gewässern unterwegs.
Nur das vom Förderverein gebaute Eingangstor zu Kongsnaes wurde im vorvergangenen Jahr von einem städtischen Müllfahrzeug geschreddert. Der Fahrer fuhr ohne Höheneinschätzung hindurch und blieb hängen.
Nun ist Kongsnaes ein Restaurant. Einmalig schön ist der Standort, der Blick schweift weit übers Wasser, Urlaub zuhause in schicken Polstern. Wir gehen weiter.

Seerosen auf dem Hasengraben am Neuen Garten in Potsdam
Der Hasengraben

Von der Schwanenbrücke zum Marmorpalais im Neuen Garten

Das Tor zum Neuen Garten. Potsdams. Wir nehmen die Schwanenbrücke über den Hasengraben. Der Hasengraben ist schnurgerade und aufgestaut, Seerosen blühen auf dem grünen Wasser. Er regelt den Wasserstand im Heiligen See und ist die Verbindung zur Havel. Etwas weiter links gibt es den ersten Traumblick. Im Vordergrund die Kulisse des Sees, eingerahmt von hohen Bäumen, im Hintergrund das Marmorpalais. Es ist das schönste Haus am See.

Marmorpalais in Potsdam
Das Marmorpalais

Der Neue Garten mit dem Marmorpalais ist das Projekt des Königs Friedrich Wilhelm II. Es ist der radikale Gegensatz zum alten Garten, dem Park des Onkels Friedrich II. um Sanssouci, der damals noch nicht der uns vertraute Landschaftsgarten war. Friedrich Wilhelm II und Friedrich II. Gegensätzlicher konnten Charaktere, Temperamente und Interessen wohl kaum sein. Der neue König sucht nach neuen Wegen und der Name „Neuer Garten“ ist sein Programm.

Ursprünglich lagen hier Grundstücke, auf denen Obst und Weinreben angebaut wurden, Windmühlen ihre Flügel drehten, Schafe weideten und wenige Gebäude standen. Einige dieser alten Häuser blieben Teil der königlichen Gartengestaltung, um im englischen Landschaftsgarten die (vermeintliche) Idylle des ländlichen Lebens zu spiegeln. Es ist als schaue der Betrachter auf ein Gemälde von John Constable. Schafe, Bäume, Himmel, Wolken, See, einzelne Gebäude, eine Idylle. Die alten Häuser von damals sind die sogenannten Bunten Häuser. In ihnen wohnen, so heißt es, heute die Mitarbeiter der Stiftung. Doch das rote Haus duckt sich in eine Mulde und sieht verlassen aus.
Kaum gekrönt, hatte der neue König endlich den Zugriff auf das Geld in der Schatulle, um den neuen Garten tatsächlich anlegen zu lassen. Nichts Barock, nichts Rückwärtsgewandtes, nichts Sanssouci, sondern modern. Und modern hieß in der Gartengestaltung des Jahres 1787 – englisch.
Große alte Bäume breiten ihre Laubdächer über uns, durch Buchenkronen glitzert das Licht, geschwungene Wege führen zwischen sommerlich hohem Gras, die Schafgarbe wächst und die blauen Natternköpfe blühen in der Farbe des märkischen Himmels. Vom Hasengraben aus, über den wir in den Garten spazieren, eröffnen sich jetzt im Sommer interessante Blickachsen mit überraschenden Aussichten – auf nackte Körper. An der offiziellen Badestelle ist Schwimmen erlaubt und Nacktbaden beliebt.  

FWII. wollte Neues. Neugierig schaute er nach Wörlitz, wo um 1769 ein englischer Garten entstanden war. Den Tipp aus Wörlitz hatte ihm Wilhelmine gegeben, die nach einem Aufenthalt dort begeistert berichtete. Wilhelmine. Von ihr werden wir hören. Unverzüglich beauftragte FWII. den Sohn des Hofgärtners aus Wörlitz, Johann August Eyserbeck, mit der Planung für den Neuen Garten Potsdam. Die Lage zwischen See und Havel war eine Steilvorlage zur malerischen Gestaltung. Doch was wir heute sehen, ist auch hier nicht mehr die ursprüngliche Anlage. 1816 kam Peter Joseph Lenné zunächst als Geselle in einen halb verwilderten Park und plante ihn als Teil seiner genialen Potsdam-Berliner Gartenlandschaft neu. Garten und Gebäude sind eine Gesamtkomposition des Bildes, das für den Betrachter wie ein Gemälde wirkt. Der Garten als Bild.
Heutzutage stehen zwei Hauptgebäude im Neuen Garten. Das Marmorpalais und Schloß Cecilienhof. Ersteres ist das Schloß FWII und seiner Geliebten und Freundin Wilhelmine Enke, verheiratete Ritz, geadelte Gräfin Lichtenau. Über ihren Einfluß werde ich gleich berichten. Das Schloß Cecilienhof wurde erst am Anfang des 20. Jahrhunderts in den Park geklotzt.

Marmorpalais in Potsdam
Das Marmorpalais am Heiligen See

Das Marmorpalais am Heilgen See. Eine großartige Kulisse für das Schauspiel zwischen Wolken, See und Haus. Unter allen preußischen Schlössern ist es das Einzige im Stil des Frühklassizismus. Der Architekt Carl von Gontard hat es geplant, 1793 war es fertig zum Bezug. Ein neuer englischer Landschaftsgarten und ein frühklassizistisches Schloß. Schluß mit Rokoko.
Das Schloß ist ein kubischer Backsteinbau, oben auf eine Rotunde mit Ausblick bis zur Pfaueninsel. Ein schöner Ort für besondere Stunden, so stelle ich es mir dort oben vor. Das rote Backsteinschloß ist mit grauem Marmor aus Schlesien verkleidet, der ihm auch den Namen gab. Seeseitig wurde eine große Terrasse angelegt mit Bootsanlegestelle direkt davor.
Einige Jahre nach der Fertigstellung ergänzte 1797 der Architekt Michael Philipp Boumann den kubischen Block durch zwei einstöckige Flügel und lässt dafür den Schneckenberg genannten Aussichtshügel abtragen. Die ebenerdigen Bauten sollten dem im Alter kranken König das Treppensteigen ersparen. Die Reihen schmückender Marmorkolonaden vor den Flachbauten wurden kurzerhand von der Hauptallee in Sanssouci recycelt. Die Fertigstellung hat Friedrich Wilhelm II nicht mehr erlebt. Er starb am 16. November 1797 hier im Palais. Erst 1843-48 beendete FWIV. die Um- und Anbauten.

In den kommenden Zeiten wird das Gebäude Spielball der Geschichte. 1882 zog Wilhelm mit Auguste ein, 1905 der nächste Kronprinz Wilhelm mit Cecilie und Familie. Bevor er ein paar Meter weiter ins neue Schloß Cecilienhof weiterzog. In den 1920er Jahren wurde der preußische Staat Besitzer und eröffnete 1932 für nur wenige Jahre das Schlossmuseum. Nach Kriegszerstörungen kamen die Plünderer, das Marmorpalais wurde Offizierskasino der Roten Armee. 1961, im Jahr des Mauerbaus, übernahm die DDR das Gebäude und im frühklassizistischen Musentempel entstand das Deutsche Armeemuseum. Innen Waffen, außen Waffen. Panzer standen auf der Seeterrasse und im jetzt wieder hübsch bepflanzten Garten. Ab 1988 wurde saniert und bis 2018 auch die Gartenanlage restauriert. 40 Innenräume strahlen im historischen Glanz.

Die Geliebte. Wilhelmine, Gräfin Lichtenau.

Im Inneren und auch im Garten spiegeln sich die Ideen einer Frau. Ihre Shopping-Touren und ihr Geschmack.
Wilhelmine Enke, später verheiratete Ritz und ab 1796 geadelte Gräfin Lichtenau, ist die Geliebte, Vertraute, Mätresse, Mutter sechs gemeinsamer Kinder und die Freundin des Königs. Die Frau an der Seite Friedrich Wilhelm II. ist Besitzerin mehrerer Immobilien, darunter ein nobles Palais „Unter den Linden“ in dem sie zum Salon lud. Sie kam aus Dessau, war Tochter eines an der königlichen Oper in Berlin musizierenden Hornisten. Mit 15, dem damaligen legalen Heiratsalter, wird sie die Geliebte des noch Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Wie Pygmalion formt er sich eine Frau, doch sie wird sich emanzipieren und ihm in Manchem überlegen sein. Zeitgenossen nennen sie die „schöne Wilhelmine“ und beschreiben sie als hochbegabt, musisch und sympathisch.
Doch die Staatsräson spielt die Hauptrolle. Noch bevor Friedrich Wilhelm die Thronfolge antritt, trennt er sich von ihr und verheiratet sie mit seinem Kammerdiener Ritz. Die Ehe wird geschieden, Wilhelmine bleibt die engste Freundin des Königs. Nach dessen Tod wird sie vom Nachfolger verbannt und schließlich auf Intervention Napoleons rehabilitiert. Was für ein Leben.  
FWII. hatte ihr ganz in der Nähe ein Palais errichten lassen, in Sichtweite direkt am Eingang des Neuen Gartens. Doch wahrscheinlich hat sie dort nie gewohnt sondern es ihrem Mann Ritz überlassen. Heute ist es restauriert im zartrosa Anstrich, aber die laute vielbefahrene Straße davor zerstört die einstige Idylle.
Im Schloß konzipierte sie die Innenausgestaltung der Seitenflügel. Das ikonographische Programm galt der Zurschaustellung eines an Antike und italienische Kultur geschulten Bildungsbewusstseins, daß sie auf ihrer einjährigen Grand Tour durch Italien gepflegt und vertieft hatte. Italien! Die Grand Tour war auch als Einkaufstour geplant, Geld spielte keine Rolle. Sie ließ sich von Angelika Kauffmann malen, kaufte Skulpturen, Teppiche, Mitbringsel und ein Model des Kolosseums aus Kork. Kunsthistoriker sind sich einig, daß ihr Einfluß auf den Frühklassizismus in Preußen nicht zu unterschätzen ist.
Doch auch Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf und Carl Gotthard Langhans sind in Potsdam beteiligt. Die Räume sind von schlichter Eleganz und mir gefallen besonders die inneren Sichtachsen auf den See. Zwei Vasen aus der englischen Wedgewood-Manufaktur zeigen den Sinn für das damals Moderne. Das ganz aus verschiedenfarbigem Marmor gestaltete Vestibül, der unmittelbar am Wasser gelegene Grottensaal sowie der Konzertsaal bilden die Höhepunkte der zum Großteil noch im Original erhaltenen Räume des Schlosses. Und dann bleibt noch Tausend-und-eine-Nacht. Es ist das Türkische Zeltzimmer, ausgeschlagen mit blau-weißem Atlas, für die orientalischen Träume über dem Heiligen See.
Für mich ist das Marmorpalais das Schönste der 16 Schlösser in Potsdam. Oder mindest das Zweitschönste. Eine klassische Schönheit am See. Niemals überlaufen strahlt es gelassene Würde an einem perfekt schönen Ort aus.

Marmorpalais am Heiligen See in Potsdam

Gedenken an einen Mord

Draußen, am Ufer des Sees, steht auf einem hohen Sockel eine Marmorurne. Die meisten Besucher schlendern achtlos vorbei. Es ist die Gedenkurne für Alexander von der Mark, einem gemeinsamen Sohn Wilhelmines und Friedrich Wilhelms. Die Eltern wollten den Gedenkort von ihrem Lieblingsaufenthaltsort aus immer im Blick haben. Inzwischen sind die Bäume hochgewachsen und der direkte Blick versperrt. Alexander ist acht, als er plötzlich stirbt. Todesursache ungeklärt. Das Wort Mord steht im Raum. Giftmord. Mord aus Eifersucht. Sogar Mord durch Friedrich Wilhelm III, den legitimen Thronfolger, der den Thron für sich durch den illegitimen bevorzugten Sohn seiner Eltern in Gefahr sah. Für den Vater war Alexander der Lieblingssohn. Die Eltern lassen bei Schadow ein Grabmal in Auftrag geben, heute ist es in der Alten Nationalgalerie zu sehen. Am See im Neuen Garten Potsdams steht seit 2005 wieder die lange verschollene und aus dem trüben Wasser gefischte weiße Gedenkurne. Hier hörte der Vater Friedrich Wilhelm, den Geheimbünden und der Magie zugetan, die Stimme seines Sohnes.

Der Blick schweift über den Heiligen See, auf der anderen Seite wohnen in größtenteils architektonisch uninteressanten Häusern die Reichen und vielleicht auch Schönen. Die Wolken ziehen übers Wasser. Früher, als es noch kalte Winter gab, war der See eine gute Eisbahn und die Kulisse des Marmorpalais steht in meiner Erinnerung für fast breughelsche unübertroffen malerische Bilder.

Vom Marmorpalais zur Gotischen Bibliothek

Wir spazieren durch den Park und was jetzt kommt, ist wie eine Reise durch die Welt. Sehnsucht stillen in Coronazeiten.
Rechts unten am Weg, nah am Wasser, steht ein scheinbar ruinöses Gebäude halb versunken im Uferbereich, Säulen schauen nur noch zur halben Höhe heraus, die Fassade eines Tempels. Es ist die Schloßküche. Sie wurde abseits des Hauses errichtet, damit, falls die Küche Feuer fängt nicht das ganze Schloss abfackelt. Arbeitsraum im Design einer Tempelruine. Fast Süditalien. Landeinwärts hingegen spazieren wir nach Ägypten. Unerwartet taucht eine steinerne Pyramide zwischen den hohen Bäumen auf. Merkwürdige Hyroglyphen sind über dem Eingang angebracht und in den Stein gemeißelt. Rätselnd und gedankenverloren stehen wir davor. Sind es Symbole für Mann und Frau oder für die sieben in der Antike bekannten Planeten? Zeichen der Freimaurer und des spirituellen Ordens der Rosencreutzler, dem Friedrich Wilhelm angehörte. Für ihn war der Garten sein Weg zur Selbsterkenntnis und der Ort für die Zwiesprache mit den Toten. 1833 wurde die Pyramide umgebaut. Das ursprüngliche Schmuckprogramm ist verloren. Innen verbirgt sich ganz profan der Eiskeller, Eiskuthe genannt. Hier wurde das winterliche Eis des Heiligen Sees bis in 5m Tiefe zur Kühlung von Lebensmitteln eingelagert. Ein weiteres Stück ägyptischer Imitationen ist der Obelisk, der seitlich vor dem Marmorpalais steht. Zitat der Obeliskenzitate, die sich durch ganz Potsdam ziehen. Vier Männerköpfe zieren seine Seiten, einer jünger als der andere. Unter Mitwirkung Schadows wurden die Lebensaltern als Symbol der Jahreszeiten ganz der Antike folgend gestaltet.

Gotische Bibliothek im Neuen Garten in Potsdam
Gotische Bibliothek

Am Seeufer flanierend erreichen wir an der Spitze des Sees die Gotische Bibliothek, einen kleinen neogotischer Bau. Die Neogotik, für die Potsdam mit dem Nauener Tor eine Vorreiterrolle in Deutschland einnahm, war immer noch eine recht neue Baukunst. Sie brachte England nach Potsdam, so wie der Garten ein englischer ist. Das Bibliotheksgebäude ist zweistöckig. Unten gab es französische Literatur, oben die deutschsprachige. Endlich durften Schiller und Lessing gelesen und aufgeführt werden, das war unter dem vorherigen König, unter Friedrich dem Großen, undenkbar.
Hier, in der gotischen Bibliothek, sollen die mystischen Rosenkreuzler Abende stattgefunden haben, an denen Friedrich Wilhem II begeistert teilnahm. Nachts leuchteten die Fackeln und wenn es neblig war, wurde die Stimmung am See fremd und mystisch.

Blick über Blumenbeet zur Orangerie des Neuen Gartens in Potsdam
Orangerie im Neuen Garten

In weitem Bogen spazieren wir landeinwärts. Entlang der sogenannten Holländischen Etablissements, der für die Bediensteten errichteten roten Backsteinhäuser, kommen wir am Kavaliershaus vorbei und fühlen uns wie in den Niederlanden. In dieser Zeile stand das erste Gebäude für Wilhelmine, inzwischen wird es das Hofdamenhaus genannt. Am Ende der Häuserreihe taucht wieder Ägypten auf. Eine Sphinx und zwei schwarze ägyptische Gottheiten von Schadow bewachen die Orangerie und den Eingang zum Palmensaal. Davor ist ein üppig blühender Staudengarten angelegt. Schon kurz nach der Fertigstellungen finden im Palmensaal der Orangerie während des Sommers, wenn die Pflanzen in ihren Kübeln draußen stehen, musikalische Konzerte statt. FW II spielte ganz passabel das Cello. Beethoven widmete ihm zwei Sonaten für Klavier und Violincello und war dann doch mit der Bezahlung unzufrieden, wie es heißt.

Brunnen im Neuen Garten in Potsdam
Garten an der Orangerie

Über uns ragen die Kronen der Bäume in den Himmel. Linden, Tulpenbäume, Eßkastanien, Roteichen, Sumpfzypressen, Stieleichen und viele Andere laden zum Schauen und Verweilen. Einmal sah ich sogar Kraniche über dem Neuen Garten kreisen.
Der Neue Garten in Potsdam bietet endlose Entdeckungen. Fast am Ausgang steht der Parasol. Ein überdimensionaler chinesisch anmutender Sonnenschirm war 1787 die erste Gartenstaffage, bevor Schloss und Bäume kamen. Demnächst flanieren wir weiter zum Schloss Cecilienhof und seiner Umgebung. Potsdam. Der Neue Garten, vom schwarzen Adler zum roten Stern.

Ein Ausflug in den südlichen Teil des Neuen Garten in Potsdam. Von der Glienicker Brücke zum Marmorpalais und zur Orangerie.

Tipps:
Was: ein Parkspaziergang mit Schloßbesichtigung und Badegelegenheit durch den Neuen Garten.
Der Garten ist Eintritt frei und tagsüber geöffnet.
Wo: In Potsdam.
Öffnungszeiten Potsdam Marmorpalais: Sa, So 10-16 Uhr (Winteröffnungszeiten gültig ab 1.11.2022) Di-So 10-17.30 Uhr (Sommer). Öffnungszeiten gültig in der Saison 2022/2023.
Food: In der Orangerie im Neuen Garten gibt es ein kleines hübsches Café. Kongsnaes für gehobene Ansprüche und Preise mit Blick direkt auf die Havel und die Villa Schöning für Kuchen und Kleinigkeiten unter großen Buchen.
Inspiration: Beethovens Cellosonaten Nr. 1 F-Dur und Nr. 2 g-Moll, gewidmet FW II.
Zum zweiten Teil des Spaziergangs im Neuen Garten geht es hier. Potsdam. Der Neue Garten, vom schwarzen Adler zum roten Stern.
♥️ Unser Lieblingsplatz: Auf der Terrasse des Marmorpalais mit Blick zum See. Im Frühling zwischen den hohen Bäumen und ihrem frischen Laub.
🗝 Wir führen Sie und Euch gerne durch Potsdams Neuen Garten und viele andere Orte der Reisefrequenzen.

Das war die Reisefrequenz in Potsdams Neuem Garten. Nah ist’s auch schön.

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