Gülper See. Vogelschutzgebiet und Sternenpark im Westhavelland.

Hallo! Hier sind die Reisefrequenzen auf dem Weg zum Gülper See, zwischen Rathenow und Havelberg, zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die Gegend um den Gülper See ist einer der wichtigsten mitteleuropäischen Rastplätze für Wasservögel und in der Nacht ein Teil des Sternenparks Westhavelland. Für alle Liebhaber der Sterne und der Natur ist das Ziel eine Reise wert.

Wir erkunden die Landschaft von Havelberg kommend und schauen uns in kleinen Dörfern um, bevor wir den Gülper See erreichen.  Am Besten geht das mit dem Fahrrad. Mit dem Auto braucht’s einige Umwege und mit dem öffentlichen Bus braucht‘s sehr viel Zeit.
Seit 1967 ist der Gülper See Teil eines Naturschutzgebietes, dessen Kern mit etwa 1077 Hektar unter dem strengen Schutz der UNESCO-Konvention steht. Hinzu kommt ein fast 9000 Hektar großes und international bedeutendes Feuchtgebiet.

Inhalt
1. Vehlgast
2. Strodehne
3. Garz
4. Der Gülper See

1. Vehlgast

Vehlgast ist ein kleines Dorf, in dem die Straße endet. Knapp vor der Havel ist Schluss. Nur für Paddler und andere Bootsreisende bleibt Vehlgast keine Sackgasse, sondern eine Durchgangsstation auf dem Fluss.

Vehlgast ist ein kleines charmantes Fischerdorf an einer der zahlreichen Havelschlingen des ursprünglich durch die Havelniederungen mäandernden Stroms. Die neogotische Backsteinkirche ragt zwischen den Fischer- und Bauernhäusern im denkmalgeschützten Ortskern auf. Die letzten Dorfhäuser von Vehlgast stehen an der schmalen Treppenanlage, die zur Dorfhavel hinunter führt. Unten ragt ein Anlegesteg ins Wasser und ein Pfad schlängelt sich unter uralten Weiden entlang der Havel. Es ist schön, ein paar Schritte hier zu gehen. Ein Schwanennest liegt versteckt im Schilf und Blesshühner knabbern an den Halmen. Das ist das 1488 erstmals erwähnte, aber sicher viel ältere Dorf Vehlgast. Wir finden Ruhe und Gelassenheit. Keine Gastronomie, keine Läden, keine Party. 

Gülper See. Vogelschutzgebiet und Sternenpark im Westhavelland.

Mit Initiative und Engagements des NABUS wurde die Havel renaturiert und die verschlossene Havelschlinge zum Hauptstrom hin geöffnet. Jetzt kann der alte Arm der Vehlgaster Dorfhavel wieder atmen und ist nicht länger ein stehendes verödetes Gewässer. Der Fluss wählt zwischen Haupt- und Altarm und bietet so Vielfalt von Flora und Fauna an. Auch die Fischereigenossenschaft nutzt diese Fülle gern. Genaue Informationen über den Naturraum und seinen speziellen Schutz gibt es im frisch renovierten Backsteinbau des Alten Schöpfwerks.

Es wurde 1901 errichtet und ist, so lese ich auf einer Tafel, das älteste erhaltene Schöpfwerk in Sachsen-Anhalt. Gebaut, um mittels Pumpen die Wasserlandschaft trockenzulegen und urbar zu machen. Im Innenraum des alten Industriebaus steht noch immer die 120 Jahre alte, längst stillgelegte Pumpe und die Elektro-Antriebstechnik aus dem Jahr 1926. Das Schöpfwerk in Vehlgast war eines der letzten dampfbetriebenen Polderpumpwerke in Deutschland und es erzählt vom Leben nah am Wasser.

2. Strodehne

Unser zweiter Stopp auf dem Weg zum Gülper See ist das Dorf Strodehne. Strodehne ist ein Dorf mit zwei Gesichtern. Das eine schaut zur Badestelle. Naturbelassen, baumumstanden, ein heller seichter Sandstrand an der Gülper Havel, die ein verwunschener Nebenarm im ausgedehnten Binnendelta des trägen Hauptstroms ist. Ideal zum Wasserwandern, gleich neben dem kleinen Badestrand gibt es eine Einsatzstelle für Kanus mitsamt unprätentiös überdachtem Picknickplatz.
Das andere Gesicht Strodehnes schaut zur Kunst. Der kleine Flecken mit seinen 268 Einwohnern ist weit über den Horizont bekannt und wirkt magnetisch auf Kunst und Kreative. International bekannte Fotografen, Maler, Schriftsteller, Filmschaffende und Performancekünstler leben und arbeiten ab und zu im Dorf, manche einen Sommer lang, andere immer wieder. Bernhard Heisig, Künstler der Leipziger Schule, wichtiger Vertreter der Kunst in der DDR, beteiligt an der künstlerischen Ausgestaltung des Bundestagsgebäudes in Berlin und seine Frau Gudrun Brüne haben den Ort bekannt gemacht. Bernhard Heisig wurde hier begraben, auf dem Friedhof von Strodehne. 

Beim Schlendern durch das Dorf entlang der roten Backsteinhäuser entdecken wir liebevoll aufgestellte Schilder, die uns von der Geschichte Strodehnes und den kleine Besonderheiten des Dorfes erzählen.
Das Kunsthaus von Strodehne liegt am Ortsende vor dem Nadelwehr und der Gahlberger Kahnschleuse. Dort finden Herbstkonzerte und Ausstellungen statt und Gruppen können sich für eine kreative Zeit einmieten. Die Schleuse und die Staustufe regulieren den Abfluss aus dem höher liegenden Gülper See in Richtung Rhin und Havel. Das Wehr stammt von 1912 und besteht aus 120 Holznadeln, die je nach Bedarf gesetzt oder gezogen werden können. Ein interessanter Mechanismus, im Handbetrieb gelenkt. 
Ganz in der Nähe ist Schröders Fischerei zuhause. Wolfgang Schröder ist im Westhavelland bekannt, denn er ist der Herr des Sees. Er ist der einzige, der im Naturschutzgebiet Gülper See Touren zum Mitfahren aufs Wasser anbieten darf. Mit Wathosen und wasserdichter Kleidung schippert er zum Zugnetzfischen im Gewässer. Wir bleiben lieber auf dem Trockenen und genießen frischen Fisch an seinem Imbiss-Stand im Grünen. 

3. Garz

Unsere nächste Station ist Garz. Vorne Gründerzeit und Klassizismus, hinten stolze Backsteinscheunen. Statt des sonst in dieser Gegend üblichen Straßenangerdorfes herrscht hier eine auffällig andere Struktur. Die schicken fast städtischen Garzer Häuser stehen im Halbkreis um eine kleine achteckige Fachwerkkirche, die den Mittelpunkt markiert. 1688 wurde sie, die sich von ihren märkischen Feldsteinschwestern baulich deutlich unterscheidet, errichtet. Aus dem Kirchenschiff ragt keck ein barockes Türmchen, im Inneren scheint der Altar in ein hölzernes Spitzendeckchen gefasst. Klein, dörflich und elegant. 

Gülper See. Vogelschutzgebiet und Sternenpark im Westhavelland.

Die dörfliche Noblesse von Garz hatte einst einen hohen Preis. Ende des 19. Jahrhunderts ist die Hälfte aller Höfe in einem Großfeuer abgebrannt. Anschließend wurde das Dorf Garz mit den Vierseitenhöfen wieder aufgebaut. 
An der Alten Havel liegt der kleine naturbelassene Hafen, die Ordnung dort ist durchaus streng. Flaschen gehören in den Glascontainer und beim Zelt aufstellen sollte man bitte auch an die anderen denken. Keine Wohnmobile, kein Sperrmüll. Aus dem Hinweiszettel spricht bitter die Erfahrung. Das Lokal Die Hafenkante in Garz ist geschlossen, wie es scheint für längere Zeit.
Wir bummeln noch ein wenig weiter, am Dorfrand liegt das Garzer Wehr mit seiner Schleuse. An der Sommerstaustufe zur Regulierung des Wasserstands sammeln sich die Vögel und der Biber hat seine Burg gebaut. 

4. Der Gülper See

Und dann erreichen wir den Gülper See. Ein wenig fühlt er sich nach Ostsee an. Sand, Dünen, Kiefern, weites Wasser und ein großartiges Vogelparadies. Das Schilf weht raschelnd sanft. Mehrere Vogelbeobachtungstürme sind ausgeschildert, am südlichen Ufer gibt es einen Naturlehrpfad bis zur Bockwindmühle Prietzen.

Mit Bock auf Wind und einigen Reparaturen steht sie seit dem 18. Jahrhundert an einem schönen Ort für eine Pause. Vor ein paar Jahren wurde sie saniert und ihr Dach frisch eingedeckt. Seit den 1950er-Jahren wird hier kein Mehl mehr fein gemahlen, der letzte Müller verließ damals die DDR in Richtung Schweiz. Inzwischen ist die Mühle die Ausgangsbasis zur Beringungen der Vögel und anderer naturwissenschaftlicher Arbeiten am Gülper See. Genutzt wird sie von der Uni Potsdam. Der Gülper See ist eine große Oase, Teil des größten zusammenhängenden Binnenfeuchtgebietes in Mitteleuropa und ein wichtiges Rastgebiet auf dem Kontinent. Im Frühjahr und im Herbst kommen 100.000 Gänse und Enten. Dazu die Kraniche und Störche. Silberreiher stehen am Ufer, nördlich brüten sogar die Fischadler. Schwäne ziehen ihre Kreise, die Kormorane bilden eine große Kolonie. Rohrweihe, Flussseeschwalbe und Rohrdommeln nisten ebenfalls am Gülper See. Glücklicherweise haben wir diesmal das Fernglas nicht vergessen.

Mit Einbruch der Dunkelheit wird der Gülper See und die weitere Umgebung zum Sternenpark und ich kann mich fast besser als im siebten Himmel fühlen. Teile des Westhavellands sind Deutschland erstes Dunkelgebiet. Der Nachthimmel ist kaum vom Licht unserer Zivilisation verblendet, auch die Straßenlichter sind gedimmt. Im Februar 2014 ernannte die International Dark-Sky Association den 1380 Quadratmeter großen Naturpark Westhavelland zum Dunkelgebiet mit zehn ausgewiesenen Beobachtungspunkten. Selbst die wenigen Dörfer machen sich fast unsichtbar. Es gibt ausgewiesenen Beobachtungspunkte, doch überall wo Ruhe und Dunkelheit herrscht ist es hier schön. Plötzlich raschelt es im Gras, die nachtaktiven Tiere huschen schnell vorbei. Frösche quaken, Grillen zirpen und eine Fledermaus fängt hastig Mücken. Und ab April schlägt wieder die Nachtigall.

Gülper See. Vogelschutzgebiet und Sternenpark im Westhavelland.

Das waren die Reisefrequenzen. Heute in Vehlgast, Strodehne, in Garz und am Gülper See. Vogelschutzgebiet und Sternenpark im Westhavelland. Nah ist‘s auch schön.

Tipps für den Besuch am Gülper See, im Naturschutzgebiet und dem Sternenpark Westhavelland
Was: Dorfidylle an der Havel und Naturschutzgebiet und Sternenpark Westhavelland.
Wo: Am Gülper See. Zwischen Havelberg und Rathenow.
Info: Kunsthaus Strodehne http://www.kunsthaus-strodehne.de
Fischerei Schröder https://www.fischerei-schroeder.eu/
Sternenpark Westhavelland https://www.sternenpark-westhavelland.de/
Naturschutzgebiet Westhavelland https://www.westhavelland-naturpark.de/
Stölln. Der Ort ist nicht in diesem Text erwähnt, liegt jedoch in der Nähe und ist die letzte Abflugstelle Otto Lilienthals. Mehr dazu gibt es hier https://reisefrequenzen.de/podcast/fliegen-waere-schoen-otto-lilienthal/
♥️ Unser Lieblingsplatz: Am Ufer des Gülper Sees.

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