Hallo! Hier sind die Reisefrequenzen – auf der dritten Station der Reise in Rumänien mit Tipps zu den schönsten Städten und Sehenswürdigkeiten Siebenbürgens. Siebenbürgen wird auch Transsilvanien, das Land hinter den Wäldern, genannt und liegt im nördlichen Rumänien. Das Städtchen Schäßburg /Sighișoara ist eine seiner sehenswerten Perlen, Weltkulturerbe und vielleicht doch Heimat von Graf Dracula.


Schäßburg /Sighișoara ist eine Palette der Farben. Jedes Haus in der von mittelalterlichen Mauern umgebenen Festungsstadt trägt bunt. Nur die alles überragende Bergkirche und die in protestantischer Eintracht neben ihr stehende Bergschule sind in dezentes Hellgrau gehüllt.
Schäßburg ist eine der letzten bewohnten Burganlagen Südosteuropas. Steile Straßen und Stiegen schlängeln sich zwischen der Stadtmauer und ihren neun von ehemals 14 Wachttürmen zu den innerstädtischen Plätzen. Unten im Tal fließt die Große Kokel durch die viel ausgedehnteren sozialistischen Neubaugebiete, parallel verläuft die Europastraße 60 vom Schwarzen Meer bis in die Bretagne. Seit 1999 gehört die Altstadt des malerischen Städtchens Schäßburg zum UNESCO-Weltkulturerbe. Als wäre das nicht Grund genug für einen Besuch, hat Schäßburg/ Sighișoara auch noch Graf Dracula im Angebot. Und manchen Influencer, der/die in Schäßburg/ Sighișoara nicht findet was er/sie sucht weil es weder ausschweifendes Nachtleben noch exzessives Entertainement gibt.
- 1. Rundgang durch Schäßburg / Sighișoara von der Unterstadt zur Piața Muzeului und Draculas Haus
- 2. Exkurs: Berühmte Persönlichkeiten Siebenbürgens
- 3. Rundgang vom Burgplatz zur Bergkirche
- 4. Außerhalb der Altstadt
- 5. Tipps für den Besuch in Sighișoara
1. Rundgang durch Schäßburg / Sighișoara von der Unterstadt zur Piața Muzeului und Draculas Haus
Das alte Schäßburg /Sighișoara wurde auf zwei natürlichen Ebenen, dem Burgberg und dem höher gelegenen Schulberg errichtet.
Vom Hermann Oberth Platz in der Unterstadt gehe ich die ausgetretenen Treppen in einer verwinkelten Kurve zum Stundturm /Turnul cu Ceas auf der Piața Muzeului hinauf.



Auf meiner linken Seite begleitet eine holzüberdachte Galerie aus dem 18. Jahrhundert die breite flache Treppe. Dieser „Korridor der alten Damen“ sorgte dafür, dass alle bei Regen und Schnee trockenen Fußes in die Stadt kamen. Der 64 m hohe Stundturm, ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert, war der massiv befestigte Hauptzugang in die Burgstadt. Vorwerk, Zwinger, Schießscharten, Pechnase und Gefängnis samt Folterkammer sind im imposanten Gebäudeensemble noch immer erhalten.
Neben dem Stundturm steht die Schäßburger Klosterkirche seit bald 800 Jahren. Nach mittelalterlichen Umbauten sind im Inneren der Kirche spätgotische Gewölbe erhalten und ein bronzenes Taufbecken aus dem frühen 15. Jahrhundert. Mich faszinieren die an den Wänden hängenden anatolischen Teppiche. Die “Siebenbürger Teppiche” sollten im Winter ein wenig die klamme Kälte und Feuchtigkeit abhalten. Die Teppiche sind wertvolle Ware aus dem 15.–17. Jahrhundert, über 600 Knüpfteppiche blieben in Siebenbürgen erhalten. Mehr als 30 hängen in der Schäßburger Klosterkirche. Auf ihren Wegen zwischen dem Habsburger Reich und dem Osmanischen passierten Händler mit ihren Luxusgütern den Knotenpunkt Transsilvanien. So kamen die Teppiche in die Kirchen. In Transsilvanien, dem Land hinter den Wäldern, wurden sie durch alle Zeiten bewahrt.
Die spätromantische Orgel erklingt zum Konzert im Rahmen des Schäßburger Orgelsommers, eine Empfehlung für Orgelfans und Musikliebhaber. https://www.ev-kirche-schaessburg.ro/aktuell.php
Anstelle der ehemaligen Klostergebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts in nur zwei Jahren ein überdimensionales Rathaus erbaut. In seinem Historismus mutet es wie ein französisches Schloss an und stellt die Klosterkirche in seinen Schatten. Das schräg gegenüber stehende grün gestrichene Venezianische Haus mit den gotischen Spitzbogenfenstern soll das Geschenk eines Ehemannes an seine sich nach ihrer venezianischen Heimat verzehrenden Frau gewesen sein.


Das bekannteste Haus am Piața Muzeului ist das Haus mit der gelben Fassade vor dem die wenigen anwesenden Touristen stehen bleiben. Eine Plakette erklärt: hier soll Vlad Țepeș, Graf Dracula 1431 geboren worden sein. Allerdings wurde das in Frage kommende gelbliche Haus erst nach dem Stadtbrand von 1676 erbaut und Draculas Vater, Vlad II. hielt sich zur fraglichen Zeit mit seiner schwangeren Frau Prinzessin Cneajna wahrscheinlich in Nürnberg und nicht in Schäßburg auf. In Schäßburg wiederum war es nur den Sachsen erlaubt, innerhalb der Festung auf Königsboden zu leben. Vlad aber kam aus der Walachei. Immerhin ist Graf Dracula ein touristischer Magnet. Die Graf Dracula Büste steht auf dem Platz vor dem Rathaus, Plastikmasken gibt es in jedem Souvenirshop und in Graf Draculas vermeintlichem Geburtshaus fällt Besuchern gegen Gebühr eine künstliche Spinne auf den Kopf.
2. Exkurs: Berühmte Persönlichkeiten Siebenbürgens
Graf Dracula, Vlad III. Drăculea, ist die berühmteste Persönlichkeit Transsilvaniens oder Siebenbürgens. Er soll 1431 in Schäßburg das Licht der Welt erblickt haben. Wahrscheinlicher jedoch weilten seine Eltern zur fraglichen Zeit in Nürnberg und nahmen dort vom ungarischen König und deutschen Kaiser Sigismund von Luxemburg den katholischen Drachenorden entgegen. Graf Dracula war Woiwode der Walachei und sein Beiname bezeichnet sowohl Drachen als Teufel. Der tyrannische Herrscher hat seine Vorliebe für Hinrichtungen durch grausames Pfählen intensiv ausgelebt. Deshalb wird er Vlad Țepeș, Vlad der Pfähler genannt. In Schäßburg/Sighișoara steht Graf Draculas Büste vor der Klosterkirche. Alles andere ist die Erfindung des irischen Schriftstellers Bram Stoker.
Johannes Honterus, 1498 in Kronstadt /Brașov geboren, war der Reformator der Siebenbürger Sachsen.
Sándor Petőfi starb 1849 in der Schlacht bei Sighișoara im ungarischen Freiheitskampf gegen die Habsburger. Vor der katholischen Kirche in Schäßburg/ ungarisch Segesvár steht das Denkmal des Freiheitskämpfers und berühmtesten Dichter Ungarns.
Hermann Oberth, 1894 Hermannstadt/Sibiu, war Raketenpionier und Mitbegründer der wissenschaftlichen Raketentechnik. Von 1965–67 arbeitete er als Mitglied der NPD. In Schäßburg /Sighișoara ist ein großer schöner Platz nach ihm benannt und in Mediasch ein Gedenkhaus
Hasso Plattner wurde 1944 in Berlin geboren. Sein Vater kam aus Siebenbürgen. Plattner ist Mäzen verschiedener Forschungseinrichtungen in Siebenbürgen.
King Charles III. aus dem Hause Windsor, geboren 1948, soll 16-facher Urenkel Graf Draculas sein. Die erste Auslandsreise nach seiner Krönung 2023 unternahm Charles ohne Camilla nach Rumänien. In Deutsch-Weißkirch / Viscri hat er sich 2016 einen sächsischen Hof gekauft.
Peter Maffay, 1949 in Kronstadt/Brașov geboren, Musiker mit gesellschaftlichem Engagement auch in Rumänien.
Klaus Johannis, 1959 Hermannstadt / Sibiu. Seit 2014 Präsident Rumäniens.



3. Rundgang vom Burgplatz zur Bergkirche
Es sind nur ein paar Schritte zum Burgplatz, Piața Cetății. Der älteste Platz der Stadt ist gerahmt von bunten leicht schief stehenden Häusern. 1280 wird Schäßburg als Castrum Sex, als sechste Burg der Sachsen, erstmals erwähnt und besiedelt. Heute sind noch 2 % der Einwohner Deutsche.
Gegenüber steht der massive Schneiderturm, der nach dem Stadtbrand von 1676 wieder aufgebaut wurde. Auch in Schäßburg sind wie in “Hermannstadt /Sibiu die Festungstürme nach den Zünften benannt. Sie waren für ihren Erhalt und die Verteidigung zuständig und lagerten Schießpulver hinter den mächtigen Mauern.


In Schäßburg / Sighișoara besonders schön:
Auf altem Pflaster durch malerische Straßen schlendern und bunte Häuser fotografieren
Die Burgstadt mit ihren teilweise für Besucher geöffneten Festungstürmen erkunden
Ein Bummel über den verwunschenen Bergfriedhof
Ein Orgelkonzert in der Berg- oder Klosterkirche
Die Schülertreppe hinunter schlendern oder rennen
Ein kleiner Schlenker führt mich gen Nordosten zur katholischen Kirche. Sie steht in einer ruhigen Ecke nahe des Schusterturms. In der kleinen Parkanlage davor erinnert eine Skulptur an Sándor Petöfi, den berühmten ungarischen Dichter und Freiheitskämpfer der bei Schäßburg/ungarisch Segesvár 1849 im Kampf gegen Habsburg fiel.
Über das holprig grobe Pflaster schlendere ich zurück zum Hauptplatz und durch die schmucke Schulgasse bis zum Ensemble von Fleischerturm, Kürschnerturm, Törle und Bastion. Im Fleischerturm hat der Mihai Eminesca Trust ein kleines sehenswertes Museum des täglichen Lebens eröffnet und die Bastion zur Open Air Bühne für Theater und Musikveranstaltungen umgestaltet.
Im Knie des Umweges öffne ich das eiserne Tor zum verwunschenen Bergfriedhof. In über 2000 Gräbern bettete die deutschsprachige Gemeinde seit dem 18. Jahrhundert ihre Toten am Hang hoch über der Kokel. Unter Bäumen und zwischen Sträuchern erzählt dieser Ort die Geschichten vergangenen Lebens. Lederhändler, Hofgerber, Schmiede, Kaufmänner und Forsträte sind hier bestattet. Oben im Seilerturm wohnt der Friedhofswärter und wacht mit weitem Blick übers Land.
Ich habe den höchsten Punkt der Stadtanlage von Schäßburg/ Sighișoara erreicht. 429 m.ü.d.M.


Hier oben steht die wunderbar restaurierte gotische Bergkirche als ein Wahrzeichen. Im 12. Jahrhundert legten sächsische Siedler ihren Grundstein, im 15. Jahrhundert wurde sie verändert und umgebaut. An der Wand zeigt ein freigelegtes Fresko den von Georg am Halsband spazieren geführten Drachen. Kunstgegenstände aus anderen Siebenbürger Kirchen haben im Kirchraum Schutz gefunden. Zu ihnen gehören einige typisch sächsische Stollentruhen aus der Kirchenburg in Henndorf. Sie dienten, falls sich Familien aus Angst vor Angriffen dorthin zurückziehen mussten, als Vorratsraum und Safe in den Wehrkirchen Siebenbürgens.
Die Bergkirche birgt eine unerwartete Leichtigkeit und seit der Renovierung eine phantastische Akustik.
Nebenan ist die Bergschule der Ort protestantischer Bildungstradition. Erstmals 1522 als Nachfolgerin einer Lateinschule ausgewiesen, stammen die heutigen neogotischen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Seit 1990 ist sie das „Liceul teoretic Josef Haltrich“ von Schäßburg/Sighișoara mit rumänischer und deutscher Unterrichtssprache. Die Schäßburger Bergschule ist das eine, das andere die Treppe. Außer der Kirche, dem Friedhof und dem Gefallenendenkmal in Erinnerung an die Toten des Ersten Weltkriegs steht oben auf der Bergspitze nur die Schule. Gewohnt wurde in der Stadt unten. Die Verbindung zum Olymp des Wissens ist die Treppe. 172 Stufen, ich habe sie nicht nachgezählt. 1654 wurde die Schülertreppe in einer aufwendigen Konstruktion überdacht, damit die Eleven den Aufstieg auch bei widrigen Bedingungen schafften. An einen Umzug der Schule in die Stadt wurde offensichtlich nicht gedacht.



Ich spaziere die Stufen hinunter, biege rechterhand in die blumengeschmückte Gasse, komme am pilzartigen imposanten Zinngießerturm und dem Pfarramt vorbei und gehe über schmale Treppen zurück in die Unterstadt. Es ist unmöglich, sich in Schäßburgs Altstadt zu verlaufen. Einfach sich treiben lassen und erkunden zwischen malerischen Häusern auf gepflasterten Wegen.
4. Außerhalb der Altstadt
Auf der anderen Seite der Kokel außerhalb der Altstadt steht die orthodoxe Dreifaltigkeitskirche im neobyzantischen Stil. Der in den 1930er Jahren erbaute Bau bleibt mir verschlossen. In der Strada Târnavei suche ich den Markt für Obst und Gemüse, einfach den Menschen mit vollgepackten Tüten entgegenlaufend finde ich den Eingang. Ich liebe die rumänischen Märkte mit ihrem farbenfrohen Angebot. Duftendes Hefebrot, riesige Dillstauden, Lindenblüten frisch gepflückt, Paprika in unterschiedlichen Formen, Frühlingszwiebeln, Himbeeren.
Noch ein paar Straßen weiter steht das k u. k Bahnhofsgebäude, 1872 von einer englischen Privatgesellschaft eröffnet. Später, bei meiner Abreise aus Schäßburg/ Sighișoara, werde ich mich fragen, ob es einst Bahnsteige an diesem Haltepunkt gab. Wir klettern durch Schotterbetten über Schienenstränge bis zum Gleis 4 und hieven das Gepäck und uns ohne Klapptrittstufen in die Waggons. Zugfahren in Rumänien ist ein interessantes Experiment gegen die Schnelllebigkeit.
Manchmal lese ich in Blogs und Büchern, die Zeit sei in Rumänien auf romantische Weise stehengeblieben. Dann höre ich, daß fast 10.000 Schäßburger im Ausland arbeiten, ernten und Alte pflegen, weil (Textil-)Fabriken geschlossen wurden und andere Arbeitsplätze fehlen. Ein von Pferden gezogener Heuwagen wird von einem PS-starken SUV überholt. Und doch schlägt die Zeit einen anderen Takt in Rumänien. Das Metronom legt Pausen für dies und das und lange Gespräche ein.
Dabei kommt mir noch ein Zitat von Kurt Tucholsky, der im nahegelegenen Hermannstadt /Sibiu arbeitete, in den Sinn:
„Als deutscher Tourist im Ausland steht man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muß oder ob schon deutsche Touristen dagewesen sind.”
Kurt Tucholsky
Das waren die Reisefrequenzen unterwegs in Schäßburg /Sighișoara. Im rumänischen Land hinter den Wäldern, das Transsilvanien oder Siebenbürgen heißt.
Fazit: Ein Besuch in Schäßburg lohnt sich. Die Stadt ist auch eine gute Basis für Exkursionen in der Umgebung.


Mit Dank an Hans Bruno Roth, Organist und Kantor, für Führung durch Stadt und Umgebung, seine Empfehlungen, grenzenlose Detailkenntnis und Geduld.
Tipps für Schäßburg/Sighișoara
Hinkommen: per Auto, Flixbus oder Bahn https://www.cfrcalatori.ro/
Sehenswürdigkeiten mit Innenbesichtigung: Stundturm, Klosterkirche, Haus Dracula, Fleischerturm, Bergkirche
Infos zur Geschichte: https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/orte/schaessburg-sighisoara
Die Uni Oldenburg bietet auf der gleichen Seite allgemeine und gute Infos über Transsilvanien
Food: Ein spezieller Restaurant-Tipp in Schäßburg ist die Villa Franka Camping Restaurant mit tollem Blick auf die Stadt und gutem Essen
Gasthaus Alte Post am Hermann Oberth Platz, P-ta Hermann Oberth 38
♥️ Lieblingsplatz in Schäßburg/Sighișoara: Die Strada Cositorarilor bis zum Zinngießerturm, der Bergfriedhof und die Bergkirche
Liebe Marike,
Rumänien steht schon lange auf der Liste. Vielen Dank für die wunderbaren Eindrücke aus Schäßburg / Sighișoara! Dein Artikel ist schon gebookmarkt für eine künftige Reise :-).
Liebe Grüße
Elke
Liebe Elke,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Rumänien ist auf jeden Fall eine Reise wert.
Liebe Grüße, Marike
Oh, da werden Erinnerungen wach… Eine der schönsten Stationen auf unserer Rumänien-Rundreise 2014. Meine Berichte darüber muss ich unbedingt mal wieder aktualisieren. Ich merke mir deinen Artikel mal vor, um auf aktuellere Erfahrungsberichte zu verlinken.
Lieben Dank Dir, Lena! Es ist eine Freude, die Fotos auf Deinem Blog zu sehen – und auch zu erkennen, wieviele Gebäude in Transsilvanien inzwischen renoviert worden sind. Eine schöne Inspiration!