
Hallo! Hier sind die Reisefrequenzen. Heute nehmen wir Euch und Sie mit zu den Sehenswürdigkeiten im Kaiserdom von Königslutter am Elm. Zwischen Braunschweig und Helmstedt, zwölf Kilometer südlich der hektischen Bundesautobahn A2, steht die ehemalige Abteikirche in Königslutter. Darin die Grabstätte der durchsetzungsstarken Richenza, von Kaiser Lothar und Schwiegersohn Heinrich. Der Kaiserdom in Königslutter ist in Architektur und Ausmalung ein faszinierendes Denkmal, ein spiritueller Ort, ein Raum der Ruhe.
Auf dem höchsten Punkt der kleinen Stadt thront der stolze schwere Dom aus hellem Elmkalkstein unter einem unbeweglichen wintergrauen Himmel. 1135 wurde der Grundstein gelegt und einige Jahre später die Kirche als Mittelpunkt eines Benediktinerklosters den Aposteln Petrus und Paulus geweiht.
Hat die bald tausendjährige Linde, die hinter dem ehemaligen Kreuzgang steht, den mittelalterlichen Baubeginn tatsächlich miterlebt? Hier lag einst die Richtstätte von Königslutter und die Kaiser-Lothar-Linde sah die Schicksale der Verurteilten. 900 Jahre soll sie in den Jahresringen haben. Ihr wuchtiger Stamm gleicht einem zerfurchten greisen Kobold. Unter der Linde fühle ich mich wie in eine verschwundene Welt gebeamt.
1135. Seit zwei Jahren regiert Kaiser Lothar von Süpplingenburg. Er nannte sich selbst „der Dritte“, obgleich er erst der zweite Kaiser mit Namen Lothar war. Ein weiterer seiner Namensvettern und Vorgänger seit Karl dem Großen blieb nur ein König und wurde dennoch vom dritten Lothar mitgezählt. Lothar III. plante mit dem Kaiserdom in Königslutter sein Hauskloster und eine prächtige Grablege für die eigene Dynastie derer von Süpplingenburg.



Zwei steinerne Löwen bewachen zähnefletschend am nördlichen Seitenschiff den Eingang in den Dom. Mit ihren großen Pranken drücken sie kauernd ihre wehrlosen Opfer zu Boden. Der eine den Widder, der andere einen langbärtigen Mann. Bauherr Lothar hatte für seinen Prachtbau in Königslutter Baumeister aus Norditalien verpflichtet. Sie brachten, so nimmt man an, die Idee der Portallöwen aus Venetien bis an den Elm. Mit ihren Rücken stützen die Raubkatzen filigran gedrechselte Säulen, die den Portalbogen tragen. So werden die wilden Löwen zu Dienern ihrer Kirche. Anspruch und Grandezza des Kaiserdoms in Königslutter.
Lothar III. von Süpplingenburg, aufgewachsen im 10 Kilometer entfernten gleichnamigen Dorf, in einer Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen Burg. Geboren vor dem 9. Juni 1075. 1106 Herzog von Sachsen, 1125 König und ab 1133 Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Gestorben nur vier Jahre später auf dem Rückweg von der italienischen Front am 3. Dezember 1137 bei Breitenwang in Tirol. Lebenslang im Konflikt mit den Staufern und mit Albrecht dem Bären aus dem Haus der Askanier. Involviert in ein Papstschisma.

Bevor ich die schwere Domtür öffne, spaziere ich zur 1,4 Kilometer entfernten gut ausgeschilderten Abt-Fabricius-Quelle. Eine der stärksten Quellen Norddeutschlands mündet im Fließgewässer mit dem niederdeutschen Namen Lutter. Der Bach ist Ursprung. 230 Liter reinen, klaren, lauteren (ndt. lutter) Wassers perlen pro Sekunde aus dem Karstgestein. Anfangs hieß auch der Ort ganz einfach Lutter, ab Ende des 14. Jahrhunderts bürgerte sich in Erinnerung an den König und späteren Kaiser Lothar das zusätzliche „Königs“ ein.


Ich trete in den Kaiserdom von Königslutter ein. Der Innenraum ruht im winterlichen Zwielicht. Die klassische romanische Basilika mit Langschiff, zwei Seitenschiffen, Vierung, Chor und den beiden Seitenapsiden ist kühl und still. In der fast mystischen Beleuchtung der schönen Zylinderlampen wird die farbige Ausmalung sparsam erhellt. Die kleinen Fenster der Romanik verschließen die äußere Welt. Der Dom von Königslutter ist eine großartige Sehenswürdigkeit.
Absichtslos schlägt meine Tasche gegen eine Kirchenbank. Ein fast erschreckend lauter Knall hallt durch den Dom. Die wunderbar weit tragende verzögernde Akustik ist ein idealer musikalischer Raum für die spirituellen Gesänge der Gregorianik.
Lothar III. hat die Vollendung seines Baus nicht mehr erlebt. Erst sein Enkel, Heinrich der Löwe, sah die fast fertige Kirche. Später kamen Umbauten und Restaurierungen, im 15. Jahrhundert dann die Westtürme und kaum später die raumverändernden Ideen der Reformation hinzu. Langsam gewöhnen sich meine Augen an das Halbdunkel. Ich erkenne die um 1450 erneuerten gotischen Gewölbe der Seitenschiffe und die Decke des Hauptschiffs aus dem späten 17. Jahrhundert. Ende des 19. Jahrhunderts begann das große Projekt der neuen farblichen Dekoration. Bis heute bestimmt es das Innere.
Der Kaiserdom ist kunsthistorisch zweifach bedeutend: Eine stattliche romanische Dreiturmanlage mit der als Zeitdokument herausragenden Ausmalung im Stil des neoromanischen Historismus. Nachdem gegen Ende des 19. Jahrhunderts die mittelalterlichen Fresken mehrfach und zuletzt gelb überstrichen waren, regte eine Bürgerinitiative mit Unterstützung des Prinzen Albrecht von Preußen, zuständig als Regent im Herzogtum Braunschweig, die Instandsetzung des Doms inklusive neuer Bildkonzeption an. August Essenwein, der erste Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg schlug mittelalterlichen Klassizismus vor und der Braunschweiger Hofdekorationsmaler Adolf Quensen wurde mit der malerischen Ausfertigung beauftragt. Die neuen Bilder im Dom zu Königslutter entstanden zwischen 1887 – 1894 und unterstreichen das Legitimationsbedürfnis der Hohenzollern als Kaiser des zweiten deutschen Kaiserreiches. Essenwein: „Diese Anschauung des 12. und 13. Jahrhunderts kennen zu lernen, habe ich mich nun getreulich bemüht, ebenso getreulich, in ihrem Geiste zu arbeiten.“ Dabei kam „die Auffindung von Resten der ursprünglichen Malerei … dem Unternehmen sehr zu statten.“ (zitiert nachhttps://denkmalpflege.niedersachsen.de/download/63652/Zum_Verstaendnis_der_Stiftskirche_in_Koenigslutter_als_Kaiserdom_Reiner_Zittlau._Berichte_zur_Denkmalpflege_in_Niedersachsen_Heft_1_2011.pdf)
Für Adolf Quensen brachte der gelungene Auftrag den Karrieresprung. Ab 1895 malte er das Prestigeobjekt in Berlin, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche aus.
August (Ritter von) Essenwein nannte sein Konzept für den Kaiserdom in Königslutter den „Prozessionsweg“. Ich versuche ihm zu folgen. In der Turmhalle erkenne ich die Wurzel Jesse, in den Obergadenflächen der vier Langhausjoche folgen im Süden die Personifikationen der vier Elemente. Feuer, Wasser, Luft und Erde. Im Norden halten geflügelte Wesen glänzende Sonnen- und Mondscheiben als Symbol für die vier Tageszeiten.
Auf den Wänden des Querhauses stehen die musizierenden Engel der himmlischen Heerscharen im purpurnen Glanz. Krummhorn und Laute korrespondieren mit der restaurierten romantischen Orgel von 1895.
An den Seiten stehen sich in brillanten Farben, und seit der Restaurierung der Ausmalung 2010 wieder leuchtend, Kaiser Lothar und seine Frau Richenza gegenüber. Der Stifter und seine Gemahlin. Ohne sie gäbe es den Dom vermutlich nicht.
Auf den Wandflächen des Chorjochs mahnen 14 personifizierte Tugenden zur mittelalterlichen Ordnung und treten dabei die symbolisierten menschlichen Laster mit Füßen. Vor ihnen öffnet sich im Gewölbe des Altarvorraums unter grünen Palmen das himmlische Jerusalem.


Der magische Blickfang ist der romanische Ostchor. Architektonisch durchkomponierte und mit sorgfältigen Steinmetzarbeiten dekoriert ist er der älteste Teil des Kaiserdoms von Königslutter. Jetzt schmückt ihn im Zenit der Pantokrator in der Mandorla. Unter ihm stehen die Evangelisten, über ihm begleiten ihn 12 bewegte Widder und zu seinen Seiten stehen die Schutzpatronen Petrus und Paulus.



Vor dem Chor ist das zentrale Grab. Hier liegt Kaiser Lothar mit seiner Frau Richenza und dem Schwiegersohn Heinrich bestattet. Nach Lothars Tod im fernen Tirol wurde der Leichnam sechs Stunden lang gekocht. So konnten die Gebeine problemlos überführt und unterwegs zur Huldigung gezeigt werden. Am 31. Dezember 1137 fand die Beisetzung der sterblichen Überreste Lothars III. in der noch unvollendeten und sicher kalten Kirche statt. 1620 wurde der Sarg, so erzählen die Annalen, geöffnet und eines Schwertes, eines bleiernen Reichsapfels, der Kelche, einer Schrifttafel als Zeugnis seines Kaisertums und der seitdem verschollenen Grabkrone beraubt. 1978 wurden als letzter Fund Teile eines bleiernen Zepters, ein Thebalring – Ring und gleichzeitig glücksbringendes Amulett aus Gold – und ein Silberring mit den christlichen Symbolen Alpha und Omega geborgen. 1640 stürzte das Domgewölbe ein und zerschmetterte das alte Grab. Abt Fabricius, dessen Namen ich schon von der Lutter-Quelle kenne, veranlasste 1708 ein neues Grabdenkmal. Der Helmstedter Bildhauer Michael Helwig gestaltete Lothar, Richenza und Heinrich in Barock aus hellem Alabaster.
Lotharius II. steht auf dem Epitaph, obgleich sich Lothar selbst „der Dritte“ nannte.

Der Kaiser in der Mitte. Zur Linken seine Frau Richenza. Aus dem gut 100 km entfernten Northeim, durchsetzungsstark und gut vernetzt. Bestattet mit einer bleiernen Grabkrone und einem Blumenstrauß aus Salbei. Zur Rechten der Schwiegersohn Heinrich der Stolze, Herzog von Bayern, durchaus für seine hoffärtig hochnäsige Art bekannt. Heinrichs Ehefrau war Lothars und Richenzas einzig überlebendes Kind. Gertrud von Sachsen. Mutter Heinrich des Löwens. Mit nur 28 Jahren starb sie bei der Geburt ihrer Tochter und wurde in Niederösterreich, im Herrschaftsgebiet ihres zweiten Mannes Heinrich II. Jasomirgott, begraben. Großmutter Richenza übernahm die Erziehung des zehnjährigen Heinrichs, den man den Löwen nennt. Für ihn kämpfte sie um Gebiets- und Herrschaftsansprüche und um die bestmögliche Erziehung. Mit Mitte 50 starb sie als beleibte Frau, eventuell an Krebs wie eine Veränderung des Brustbeins zeigt.
Vielleicht ahnte Kaiser Lothar III., dass der Dom zu Königslutter keine Dynastie aufnehmen würde. Sein Enkel Heinrich der Löwe ließ im nahen Braunschweig bauen und wurde dort begraben. Doch der Kaiserdom in Königslutter bleibt sein herausragendes architektonisches Denkmal.



Ein Kleinod ist der im nördlichen und westlichen Teil erhaltene Kreuzgang. Im nördlichen Gang stehen zehn Säulen. Gedrechselt, kanneliert, glatt, mit Flechtband geschmückt, keine Schönheit gleicht der anderen. Wahrscheinlich fertigten auch diese selten eleganten Schmuckstücke Steinmetze aus dem fernen Oberitalien.
Nocheinmal kehre ich in den sehenswerten Kaiserdom zurück und atme die Zeit der Jahrhunderte ein. Jemand erhebt seine Stimme und singt „Es kommt ein Schiff geladen“. Die Melodie erfüllt das ganze Kirchenschiff.
Am Ausgang liegen Prospekte und Postkarten neben der Kasse des Vertrauens während Löwen die Tür bewachen.
Draußen blinzele ich im dunklen Hell des Tages. Vor der östlichen Apsis spielt ein Hund auf der noch grünen Wiese. Im Fries der Außenapsis ist die Jagd in Stein gemeißelt. Die Darstellungen sind ein Rätsel. Ein hilfloser Jäger liegt am Boden, zwei Hasen haben ihn gefesselt. Am Ende wird der Hase selbst gefesselt von einem Jäger weggeschleppt.



Gegenüber leuchten die Fenster im Dom-Café und locken mich zu einer Pause.
Das waren die Reisefrequenzen, heute im Kaiserdom in Königslutter am Elm. Nicht weit von der A2, der Abstecher lohnt sich auf jeden Fall.
Tipps für den Besuch in Königslutter
Öffnungszeiten des Doms: April bis Oktober: 9 bis 18 Uhr, November bis März: 9 bis 17 Uhr https://www.koenigslutter-kaiserdom.de/
Parken: Parkplätze am Dom. Vor dem Dom rechterhand gibt es ein öffentliches WC.
Museum: Museum Mechanischer Musikinstrumente https://www.museen-koenigslutter.de/
Food: Im Domcafé gegenüber des Doms.
♥️ Unser Lieblinsplatz: Das Kirchenschiff. Der nördliche Kreuzgang.

Der Bau in reiner Romanik, mit beeindruckender Ausmalung in neoromanischem Historismus beglückt mich. Und ich sehe die auf dem Grabmal dargestellte Kaiserin Richenza als Großmutter Heinrichs des Löwen! Als in diesem großartigen Bauwerk vor Jahren eine Bläserfreundin heiratete, konzentrierte ich mich nur auf mein Instrument und die Noten um die Feier musikalisch auszuschmücken. Nun kann ich den Dom in Königslutter dank der detaillierten Beschreibung in Wort und Bild bestaunen. Herzlichen Dank dafür!
Liebe Irmi,
wie schön, dass der Dom durch die Reisefrequenzen zu Dir kommt und Deine musikalischen Erinnerungen bereichert. Er ist auf jeden Fall einen Besuch wert und eine Hochzeit dort sicher besonders eindrucksvoll.
Herzlicher Gruß, Marike