
Hallo! Hier sind die Reisefrequenzen. Heute mit Tipps zu einer Tour am malerischen Beetzsee, im Norden der Stadt Brandenburg. Die kleinen Orte Mötzow, Radewege, Butzow, Ketzür, Bagow und Päwesin sind unsere Ziele auf dieser Beetzseereise. Der See ist Teil einer fast 30 Kilometer langen eiszeitlichen Rinne, die sich erst nördlich streckt und dann in einem scharfen Knick gen Osten wendet. Genau betrachtet sind der Beetzsee vier.
Der kleine Beetzsee, der Hauptsee, der Obere Beetzsee und der Riewendsee, die durch Kanal und Sträng verbunden sind. Höchsten 1,4 Kilometer breit und in Ausnahmen 9 Meter tief. Im Sommer lädt der See zum Baden ein, es gibt zwischen dem Schilfbestand zahlreiche kleine Strände. Die Umgebung schwingt sich bis in 60 Meter Höhe und ist die größte Lehmfläche des sonst meist sandigen Havellands.
Eine Möglichkeit zur Seeumrundung ist der Storchenradweg, der dem Symbol des Vogels folgt.
1. Station: Domstiftsgut Mötzow
Unser erster Stopp ist das Domstiftsgut Mötzow. Zwischen großen gelblich gestrichenen Lagerhallen steht das alte Gutshaus in Rot-Weiß. Mit seinen Erkern, Türmchen und Risaliten thront es auf einem sanften Hügel wie ein Schloss. 1894 wurde der Hingucker historistisch erbaut, das Material waren die am Beetzsee produzierten roten Ziegel. Am Hauptturm prangt das Wappen des Domstifts zu Brandenburg und vor dem Haus schwingt die standesgemäße Auffahrt auf Kutschen wartend ihre halbe Runde.
1161 wird der Ort Mukzowe erstmals erwähnt. Spätestens seit 1335 und bis zur Reformation betrieb das Brandenburger Domkapitel hier Landwirtschaft und eine Schäferei. Später wurde Gut Mötzow verpachtet und eine der zahlreichen Ziegeleien der Beetzseegegend eingerichtet. In der Zeit der DDR wird das Domstiftsgut wieder durch die Kirche selbst bewirtschaftet um der Enteignung zu entgehen.

Auf der Anhöhe gegenüber wächst ein Birkenwäldchen, durch das ein dunkler Schatten weht. Hier hielt das Domkapitel Brandenburgs sein Hochgericht. Vom 16. bis ins 18. Jahrhundert wurden dort wo jetzt die Birken wachsen Todesurteile am Galgen vollstreckt.
Noch ist es winterlich und ruhig in Mötzow. Doch die großen Parkplatzflächen lassen hohen Zuspruch ahnen. Heute ist fast alles zu und wir genießen in der langsam wärmenden Sonne den weiten Blick ins Land. Zu unserer Überraschung ist auf der flachen Kuppe hinter dem Märchenschloss ein kleiner Friedhof zwischen Thujahecken. Welch luftig lichter Ort für ein Begräbnis. Auf der Wiese stehen Picknickbänke und ein paar Schritte weiter stolziert der Pfau im Streicheltiergehege. Hier beginnt der Wanderweg nach Weseram.
Später im Jahr wird es turbulenter auf dem Hof in Mötzow. Nummer eins ist dann die exquisite weiße Stange. Frischer Spargel ist das Hauptprodukt in Mötzow, schon jetzt sind die Felder der Umgebung mit Plastikplanen abgedeckt. Im Frühjahr beginnt im alten Kuhstall das Abwiegen und Sortieren und dort, wo früher die Lämmer und Schafe in Ställen standen, bietet dann das Restaurant regionale Küche an. Der Hofladen öffnet im Pferdestall und Kunsthandwerk gibt‘s in der alten Mühle.



2. Station am Beetzsee: Radewege
Der zweite Stop auf unserem Weg liegt direkt am Ufer auf der anderen Seite des Beetzsees. Radewege wird als Radewende ebenfalls 1335 erstmals erwähnt. Heute ist es ein typisches märkisches Straßendorf. Von dem 1545 erwähnten Weinanbau zwischen Brielow und Radewege fehlt inzwischen jede Spur. In einer Aufzeichnung von 1708 wurden für Radewege 16 Hufenbauern, ein Kossät, ein Schäfer und ein Schmied gezählt. 140 Menschen haben damals in Radewege gelebt. Heute sind es etwas über tausend.
Wir spazieren die Dorfstraße hinunter. Auf der einen Seite sind in einem offenen Hof die Kästen des Getränkemarkts gestapelt. Auf der anderen wird gerade Kurths Landgasthaus staubig abgerissen. Wehmütig schauen wir auf die schönen Holzarbeiten in der aufgerissenen Dachflanke.


Schräg daneben steht die Kirche, seit einem Blitzschlag fehlt ihr der geschwungene Helm. Der Förderkreis Kirchdach e.V. engagiert sich für den Wiederaufbau. Damit der solide Back- und Feldsteinturm wieder unter die charakteristische Haube kommt. Radewege ist ein schönes schlichtes Dorf. Das Glanzstück ist der See.

Am Ufer gibt es einen schön geschwungenen Steg, noch hat im späten Winter kein Boot hier festgemacht. Die Kneipe gegenüber verspricht „Freunde am See“ zu sein. Wir essen Fish & Chips mit viel Panade und fast ohne Fisch, die Pommes schmecken lecker.
3. Station am Beetzsee: Butzow
Am Ortseingang steht die Lore einer alten Werksbahn. Alle Dörfer der Umgebung bauten Tonerde für Ziegel ab, nur Butzow hatte Sand und Kies. Franz Rengel aus Brandenburg sah darin um 1900 Potential. Der Unternehmer war bereits mit Wein und Likör erfolgreich und fügte nun die damals sehr gefragten Baustoffe zu seinem Portfolio. Ab 1921 gründete er die „Siedler, Rengel & Co. Kies- und Zementwerke Butzow“ und ließ unter anderem Zementfliesen hier fertigen. Die Lorenbahn fuhr durch die aufgewühlten Hügel bis zur Verladestation fast am See. Dort traf sie auf die Westhavelländische Kreisbahn, deren letzter Zug im Jahre 1969 abgefahren ist.



Wir schlendern durch den kleinen Ort. An der neogotischen Kirche blühen gelbe Winterlinge und auf dem Friedhof steht eine mächtige Eiche, gepflanzt für ein früh verstorbenes Kind.
Im stillen Ort sind wir heute die Attraktion. Eine Dame spricht uns an und freut sich über unseren Dorfbesuch. Sie erzählt vom bürgerlichen Engagement zum Erhalt der alten Schule und von der Qualität des Lebens hier direkt am See.

4. Station am Beetzsee: Ketzür. Kirche, Bockwindmühle und ein Beobachtungsturm an der Kute
Ketzür. Der Name lässt uns aufhorchen. Kotzure heisst es in ersten Erwähnungen. ‚Der Ort, wo es Kater gibt’, so lautet die gewagte Annahme einer Übersetzung aus dem slawischen. Ketzür ist ein Dorf, das alles hat. Ein Gutshaus, eine Kirche, eine Bockwindmühle, 260 Einwohner und eine schöne Badestelle. Vom 14. Jahrhundert bis 1824 hat Ketzür den Gutsherren von Brösigke gehört, anschließend wechselten die Besitzer.
Eine Attraktion des Ortes ist die Kirche. Wo andere geradlinig sind, ist sie eckig. Wo andere rund sind, ist sie gerade. Während andere mit ihren Namen protzen, bleibt sie namenlos. Ein Blick aus der Vogelperspektive würde uns die schiefe Konstruktion ihres Baus gut zeigen. Das Mittelstück stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist ein Siebeneck. 1599 wurde der rechteckige Chor angebaut, der abrupt und wie abgeschnitten in einem Giebel der Renaissancezeit endet. Der gotische Turm steht mit seiner barocken Spitze schräg vor dem Kirchenschiff.
Die wahre Schönheit wartet innen. An der Decke des Chores schwebt ein wolkengleicher Himmel in Ornamentmalerei. Der Blickfang ist das raumgreifende Epitaph für Gutsbesitzer Heino von Brösigke samt Familie. Es stammt aus dem 17. Jahrhundert und zeigt vier männliche und sechs weibliche Figuren, die angefertigt aus teurem Alabaster vor der Darstellung biblischer Szenen knien. Heino von Brösigke war mehr als ein Landadliger, schließlich war er kurfürstlicher Hofschenk. Seine Familie konnte sich den teuren Grabmal-Auftrag bei Christoph Dehne aus Magdeburg leisten. Die älteste Tochter kniet hinter der Mutter. Wie alle dargestellten Frauen trägt sie eine Haube und einen sorgsam gefälteten Renaissancekragen. Mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen schaut sie uns direkt ins Gesicht. Sie trug den interessanten Namen Hyppolita. Das monumentale Epitaph wird von Adam und Eva getragen. Eva, mit ihrem langen lockigen Haar, schaut nach oben und zeigt sich derweil dezent auf ihre Brust. Kunst ist Entdeckung.



Etwas landeinwärts steht eine der wenigen erhaltenen Bockwindmühlen des Havellandes und dreht seit 1862 hier manchmal ihre Flügel. Jetzt steht sie still und ihr Inneres ist winterlich verschlossen.
Im Dorfkern werden die Früchte des Havellandes flüssig gemacht. Die MostManufaktur in Ketzür macht Saft trinken modern. In einem Backsteingebäude mit roten Türen sind der Hofladen und das Saftparadies untergebracht.


Ein kurzer Spazierweg führt uns zum Beobachtungsturm „Kranichland“. Er steht an der Kute von Ketzür. Kute ist das berlin-brandenburgische Wort für eine Senke, eine flache Niederung. Die Kute liegt in der natürlichen Schmelzwasserrinne der letzten Eiszeit und wurde im 19. Jahrhundert durch den Tonabbau von Menschen zusätzlich vertieft. Um 1910 war der Betrieb, so lese ich, bereits beendet. Jetzt ist die Kute ein Paradies für Brut- und Zugvögel. Zwei Kraniche stehen auf einer Insel.

Bollmannsruh lassen wir rechts liegen und erreichen Bagow.
5. Station: Bagow. Schloss, Kirche und der Bagower Bruch.
Der Dorfname verweist auf „Bog“, den „göttlichen Ort“. Bagow liegt in einer kleinen Senke und am Rande des Sees steht das Gutshaus derer von Ribbeck.
Die Kopfsteinpflasterstraßen des Dorfes sind still, der Winter liegt zwischen den Bäumen der Allee und der Dorfgasthof ist seit langem verlassen. Die großen Scheunen wecken mein Interesse.

Erst dann entdecken wir das Schloss. Bauherren des Hauses aus Feld- und Ziegelsteinen war 1545 die Familie von Schlieben, die es nach dem 30jährigen Krieg verkaufte. Seit 1772 bis zur Enteignung gehörte es der Familie von Ribbeck. Ohne zu denken spaziere ich über den Rasen und sehe erst spät das Schild „privat“. Vor uns ist Renaissance. Das Rittergut Bagow gehört zu den wenigen erhaltenen Herrenhäusern aus dieser Zeit in Brandenburg und ist somit trotz späterer Anbauten sehr bemerkenswert. Das Satteldach ragt steil auf und halbrunde Nischen schmücken das vorspringende Hauptportal.



Nach dem Zweiten Weltkrieg zog eine Schule und dann eine Gedenkstätte des antifaschistischen Widerstands ein. (Sie erinnerte daran, dass hier nach Ende des Zweiten Weltkriegs befreite politische Gefangenen aus dem Zuchthaus Brandenburg eine erste Nacht in Freiheit verbrachten) 1997 kaufte Familie von Ribbeck den Besitz zurück.
Wir wandern weiter und wollen auf den Weg in den Bagower Bruch. An der Straßenkreuzung steht die rosarote Jugendstilkirche, fein herausgeputzt in ihrem in dieser Gegend so seltenen Gewand. 1906 wurde sie vom Architekten Georg Büttner geplant, nachdem ein Feuer die alte zerstörte. Von hier aus wandern wir auf dem idyllischen Weg durch den Bagower Bruch unter uralten Eichen zum verwunschenen See.

Der Rundweg „Naturlehrpfad Bagower Bruch“ ist gut ausgeschildert und in zwei Stunden sind die sechs Kilometer auch mit kleinen Pausen leicht zu schaffen. Am See haucht der Wind durch das Schilf und der Atem schöpft die ganze Stille. Zum Schluss der Runde steigen wir auf den ehemaligen Mühlenberg. Von oben schweift der Blick weit in die Ferne, über den Beetzsee und den Riedwendsee zu den Kranichen und Gänsen und zu den Windrädern in der Ferne.
6. Station: Päwesin. Tortenglück und Kirche.
Vorher ins Kuchenglück oder danach, die Entscheidung fällt uns nicht leicht. Päwesin ist ein kleines Dorf mit 560 Einwohnern, drumherum ist viel Landschaft, Wasser und Erholung.
Mitten im Ort steht die Saalkirche von 1727 mit ihrem flachen Zwiebelturm. Er ist ein barocker Zeigefinger im sonst Feld- und Backstein geprägten Havelland.



Die Kirche überragt den kleinen Weiler, höchstens ein Storch kommt ihr ganz nah. Sonst scheint hier alles, als wäre nichts. Ich drücke die schmiedeeiserne Klinke an der blauen Türe und stehe im von Holz dominierten Kirchenraum. Mit aufmunternden biblischen Sprüchen sind die Bänke coronagerecht abgesperrt und vom Orgelprospekt trompeten die Engel.

In der Kulturscheune nebenan gibt es im Sommer Kultur und Pizza. Und wenige Schritte neben der Kirche wartet in gläsernen Vitrinen das gebackene Glück. Davor steht eine Warteschlange. „Backwahn“ ist eine besondere Bäckerei, denn sie wird von buddhistischen Mönchen und Nonnen betrieben. Sie haben in Päwesin ihr Kloster Ganden Tashi Choeling in einem alten Gutshaus und der verlassenen Dorfgaststätte aufgebaut. Backwahn einfach Bäckerei zu nennen ist eine Untertreibung. Die Verkaufsvitrinen lassen meine Augen größer werden, sie sind ein Schlemmerland. Obstkuchen, Schmandkuchen, Linzertorte, Cheesecake, Sahneschnitten, Croissants, Brot und vieles mehr, bis zu 30 Sorten. Seit 2012 backen die buddhistischen Kleriker mit wahnsinnigem Erfolg. Doch für sie selbst bleibt das Backen Nebensache. Die Bäckerei und ein Friseursalon sind lediglich ihre finanzielle Lebensgrundlage.
Gestärkt und erfüllt beenden wir unsere Tour am Beetzsee. Von Mötzow über Radewege und Butzow nach Ketzür, Bagow und Päwesin im Havelland.



Das waren die Reisefrequenzen. Heute unterwegs am malerischen Beetzsee im Havelland. Von Mötzow nach Radewege, nach Butzow und Ketzür. Von Bagow zum Bagower Bruch und nach Päwesin.
Mit Dank an meinen Kollegen Holger.
Tipps & Infos zum Beetzsee
Was: Eine Tour am See.
Wo: Am Beetzsee, nördlich von Brandenburg
Wie: Der Storchenradweg führt einmal um den See. In Mötzow und Bagow gibt es ausgeschilderte kürzere Rundwanderungen.
„Naturlehrpfad Bagower Bruch“ ab Bagow Kirche, der Rundweg ist ausgeschildert.
Öffnungszeiten:
Ketzür: Windmühle im Sommer sonntags geöffnet.
MostManufaktur Hofladen Winter 2022 Freitag 16-18, Dienstag 10-12
Päwesin: Backwahn Mo-Fr 7-18, Sa,So 7-16
♥️ Unser Lieblingsort: Die Kirche in Ketzür, der Bagower Bruch und unbedingt Backwahn in Päwesin.

Wer noch mehr glückliche Orte im Havelland sucht, findet sie im druckfrischen Band “Glücksorte im Havelland“ des Droste Verlags.
2004 kürten Naturfreunde und der Deutsche Anglerverband die Havellandschaft zur Flusslandschaft des Jahres. Ein Schloss taucht auf und eine sehenswerte Bockwindmühle.
Gerne würde ich vor Ort entdecken, was diese Havellandschaft an Besonderheiten birgt!
Der Verlockung durch ” Backwahn ” würde ich natürlich nicht widerstehen!
Danke für diese Reisefrequenz!
Liebe Irmgard, ich kann den Torten und dem leckeren Bienenstich dort auch nicht widerstehen! Gut, daß die Bäckerei nicht direkt vor meiner Haustür liegt. Lieben Dank für Deinen Kommentar.