Danzig / Gdańsk – 9 Tipps für mehr als einen Wochenendtrip

Hallo, hier sind die Reisefrequenzen unterwegs zu den Sehenswürdigkeiten in der inspirierenden schönen Stadt Danzig / Gdańsk.
Danzig ist eine Stadt voller Mythos und lebendiger Gegenwart. Danzig ist auf jeden Fall eine Reise wert. Hanseatisches Flair, Piroggen, Backsteingotik, Bier und demokratischer Aufbruch. Die Danziger haben nach dem zerstörerischen Zweiten Weltkrieg die Schönheit und das Image ihrer stolzen Stadt an der Mündung der Weichsel nahe der Ostsee zurückgeholt.

Das Unterwegs sein in Danzig ist einfach. Die Złotys können überall mit Karte bezahlt werden, die Verständigung im touristischen Kerngebiet ist auch ohne Kenntnisse des Polnischen problemlos, der öffentliche Nahverkehr funktioniert gut, Tickets gibt’s online oder am Automaten der größeren Stationen.

The long read.
Einst wurden in der Hansestadt Salz, Hering, Holz und Getreide gehandelt, heute sind es die Besucher, die Geld in die Kassen der Stadt spülen. Wie seit prähistorischen Zeiten lassen sie den reichlich feilgebotenen Bernstein durch ihre Hände gleiten, bevor sie zu den großartigen Sehenswürdigkeiten und zum Danziger Bier weiterziehen.
Im Danziger Ortsteil Langfuhr / Wrzeszcz wuchs Günter Grass, Autor der weltberühmten „Blechtrommel“ auf. Auch in Danzig begann mit einem Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Westerplatte und das polnische Postamt am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg. Und hier, in den früher wirtschaftlich enorm wichtigen Werften gründete 1980 Lech Wałęsa gemeinsam mit Anderen die Gewerkschaft Solidarność.
Danzig ist eine charmante Destination, am Schönsten in den Tagen zwischen den Wochenenden. Die hanseatische Hoheit kann entspannt per Zug erreicht werden. Für Infos dazu einfach nach unten scrollen.

  1. Danziger Hauptbahnhof und Jopenbier
  2. Die berühmte Kulisse am Ufer der Mottlau und die Speicherinsel
  3. Sehenswürdigkeiten in der Danziger Rechtsstadt
  4. Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau
  5. Die berühmte Frauengasse und die Marienkirche
  6. Die Danziger Altstadt
  7. Die Danziger Vorstadt als Teil der Altstadt
  8. Das Kriegsmuseum, das Solidarność-Museum, die Danziger Werft und ihre neue Szene
  9. Am Strand in Zoppot / Sopot

Mein Reise-Vorschlag: 1. Tag Ankunft – 2./3. Tag Rechtsstadt mit Artushof, Uphagenhaus, Museen und Galerien – 4. Tag Kriegsmuseum, Solidarność-Museum und Werften – 5. Tag Westerplatte und Zoppot

1. Ankunft am Danziger Hauptbahnhof und Jopenbier im Browar PG4

Vom Danziger Hauptbahnhof aus erkunde ich die Innenstadt bequem zu Fuß. Das nach dem Krieg wieder aufgebaute Neorenaissancegebäude der Bahnhofshalle ist derzeit (2023) eine abgesperrte Baustelle und wird hübsch renoviert. Der Bahnhof ist daher recht unübersichtlich, die Orientierung braucht etwas Zeit. Fernzüge fahren in alle größeren polnischen Destinationen und nach Berlin. Nahverkehrszüge nach Zoppot/Sopot, Gdingen/Gdynia und in die Umgebungen.
Nebenan steht im gleichen Stil das Hotel Central, die frühere Inspektorenstelle der Eisenbahndirektion von 1905. Hier braut der deutsche Braumeister Johannes Herberg im „Browar PG4“ seit 2019 wieder das typisch Danziger Jopenbier. Es wurde früher hauptsächlich zum Kochen von Suppen und Soßen verwendet. Seinen Namen schöpft es aus der Kelle, der ‚Jope‘.

2. Das Ufer der Mottlau / Motława und die Speicherinsel

Zuerst zieht es mich zur berühmten Kulisse der Stadt an der Mottlau. Historisierende Fassaden der wieder aufgebauten Kaufmannshäuser spiegeln ihre Giebel im Wasser. In ihrer Reihe steht das mächtige Krantor. Während meines Besuchs, 2023, ist es vollkommen eingerüstet und ein kleines Modell bleibt die einzige Anschauung. Die Mottlau war der sichere Hafen für den Handel der Hanse. Früher legten hier die Koggen mit ihren Waren an, heute sind es Piratenschiffe als Ausflugsdampfer. Sie fahren wie früher die Segelboote über die Mottlau und die Tote Weichsel zur Ostsee hinaus. 
Am nördlichen Knick der Uferpromenade dreht sich ein buntes Karussell für Kinder. Dahinter steht der Schwanenturm als Teil der ehemals massiven Stadtbefestigung und kaum weiter sind die spärlichen bröckelnden Mauern der Ordensburg zu sehen. Die Danziger wussten ihre Schätze zu schützen.
Gegenüber liegt die Speicherinsel, einst der Hort des Reichtums von Danzig. Hier, auf der Insel zwischen Mottlau und dem Kanal, trafen sich die Kaufleute aus vielen Kulturen. Ihre Speicher und Lager nannten sie Lübeck und Jerusalem, Papagei und Drei Zitronen. Auf dem vorgelagerten alten Bleihof ist das Meeresmuseum zu besichtigen und im Städtischen Elektrizitätswerk von Siemens&Halske hat die Baltische Philharmonie eine Heimat gefunden.

Restaurants, Kneipen, Ausgehatmosphäre. Viele der im Krieg vollkommen zerstörten Häuser wurden in den letzten Jahren in modernen Versionen neu aufgebaut. Mehrere Brücken führen auf diese künstlich entstandenen Inseln, spektakulär ist die neue sich weit öffnende Olowianka Drehbrücke.

3. Die Sehenswürdigkeiten in der Rechtstadt von Danzig

Die Rechtsstadt/Główne Miasto ist das Herz und das bekannteste Viertel Danzigs. Seit ihr im Mittelalter das Stadtrecht verliehen wurde, ist sie die Stadt in der Recht herrscht.
Mächtige Stadttore sichern ihre Straßen und das alte Machtzentrum der Handelsstadt. Die schönsten Patrizierhäuser stehen Spalier am Königsweg. Auf dieser etwa 1 km langen Strecke zogen einst die Könige in die Stadt ein. Zunächst passierten sie das Hohe Tor unter den Wappen der Polnisch-Litauischen Union, der Stadt Danzig und des Königreichs Preußen. Später kam der deutsche Kaiser, über seinen Besuch 1897 gibt es sogar einen Film und seit 1884 hängt das kaiserliche Wappen an der Ostfassade. Gemeinsam mit Wall und Graben schützte das Hohe Tor den Zugang zur Stadt von Land.
Unweit des Tores, außerhalb der Altstadt, liegt im Boden verankert eine schwarze Platte. Sie erinnert an den Mord am Danziger Stadtpräsidenten Pawel Adamowicz 2019. Geschichte und Gegenwart.
Die Könige durchquerten vorbei an Peinkammer und Stockturm das (2023 teilsweise eingerüstete) Goldene Tor und schritten in die Langgasse. Die wieder aufgebauten Häuser der Ratsherren grüßen mit ihren Treppengiebeln. Heute ist der Königsweg eine breite Prachtmeile der Restaurants und Kneipen. Auf fast halber Strecke zeigt das gotische Rechtsstädtische Rathaus seine Position und Bedeutung mit seinem 80 Meter hohen Turm auf.

Seine einzigen innerstädtischen Konkurrenten sind die Türme der backsteingotischen Kirchen. Heute zeigt im Rathaus das Museum der Stadt Danzig auch das Inferno der Vernichtung. Eine schöne Pause bietet das Museum Uphagenhaus / Dom Uphagena, in den repräsentativen Räumen kann ich mir gut die Familie eines weltgewandten Reeders vorstellen.

Schräg vor dem gotischen Rathaus steht der Neptunbrunnen auf dem Langen Markt. Der Gott des Meeres scheint leicht erzürnt seinen Dreizack gegen die überquellende Menschenmenge zu erheben.
Nebenan liegt der repräsentative Artushof, in dem sich seit dem Mittelalter die reichsten Danziger Patrizier und Reeder versammelten, sich schließlich in sieben Brüderschaften organisierten und vermutlich weniger am runden Tisch als an der langen Theke trafen. Nach 1742 wurde der im Kern gotische und später renaissancegekleidete Bau als Börse genutzt. Ein Besuch der dreischiffigen Großen Halle lohnt sich. 

E.T.A. Hoffmann, der acht Jahre im damals preußischen Polen arbeitete, beschreibt in seinen Anfang des 19. Jh. veröffentlichten Serapionsbrüdern die Szene:
„Gewiß hast du, günstiger Leser! schon recht viel von der alten merkwürdigen Handelsstadt Danzig gehört. Vielleicht kennst du all das Sehenswerte, was sich dort befindet, aus mancher Beschreibung; am liebsten sollt es mir aber sein, wenn du selbst einmal in früherer Zeit dort gewesen wärest, und mit eigenen Augen den wunderbaren Saal geschaut hättest, in den ich jetzt dich führen will. Ich meine den Artushof. – In den Mittagsstunden wogte drängend und treibend der Handel den mit Menschen der verschiedensten Nationen gefüllten Saal auf und ab, und ein verwirrtes Getöse betäubte die Ohren. Aber wenn die Börsenstunden vorüber, wenn die Handelsherren bei Tische saßen, und nur einzelne geschäftig durch den Saal, der als Durchgang zwei Straßen verbindet, liefen, dann besuchtest du, günstiger Leser, der du in Danzig warst, den Artushof wohl am liebsten. Nun schlich ein magisches Helldunkel durch die trüben Fenster, all das seltsame Bild- und Schnitzwerk, womit die Wände überreich verziert, wurde rege und lebendig. (…). Du wandtest den Blick lieber auf den schmalen Streif, der beinahe rings um den Saal geht, und auf dem sehr anmutig lange Züge buntgekleideter Miliz aus alter reichsstädtischer Zeit abgebildet sind. (…) , und glaubst, sie werden nun gleich alle zu jenem großen Fenster dort hinaus auf den langen Markt ziehen.“

Quelle:  https://www.projekt-gutenberg.org/etahoff/serapion/serap221.html

Vor dem Artushof hastet ein kleiner blecherner Merkur auf der Kuppel über dem Zugang zum Gewölbekeller und scheint seinen Geschäften hinterherzurennen. Schließlich erreicht der Königsweg das prunkvolle schloßgleiche Grüne Tor, dessen kostbare Fassade einst grün gestrichen war. Die Menge der Besucher flutet durch das Tor zur Promenade an der Mottlau. Am Schönsten ist der Besuch der Langgasse / Ulica Długa an einem frühen sonnigen Morgen.

4. Geschichte der Zerstörung und des Wiederaufbaus in Danzig

Die schöne Stadt hat tiefe Kerben. Fast jede Hausfassade spiegelt Zerstörung und Wiederaufbau. Die Häuser der Altstadt sind aus Beton und selten aus Ziegeln. Ihre Wohneingänge liegen nicht wie einstmals zur repräsentativen Straßenseite, sondern hin zum Hof und den Garagen.
Um 4.45 Uhr am 1. September 1939 überfiel Deutschland Polen. Zu 90% zerstört wurde Danzig letztlich durch die sowjetische Armee. Die ehemaligen deutschen Bewohner mussten flüchten. Menschen aus Zentralpolen und Litauen, damals UdSSR, zogen oft unfreiwillig in die zerstörte Stadt, die zuvor nicht ihre Heimat war.
Es bleibt mir beim Flanieren schier unfassbar, wie dieser Wiederaufbau gelingen konnte und welche Absicht den vollkommenen Untergang von Danzig stoppte.

Hauptaugenmerk der Restauratoren und Stadtplaner war die Rekonstruktion der mächtigen backsteingotischen Kirchen, der massiven Stadttore, des schmucken Rathauses und der alten riesigen Wassermühle. Der Wiederaufbau der Straßenfassaden hingegen orientiert sich nicht immer an den Vorkriegsoriginalen. Die Präferenz war ein fiktives Modell des 16. und 17. Jahrhunderts, einer Zeit polnischer Dominanz in Danzig. Das preußische Erbe und die Gründerzeit verschwanden fast gänzlich aus dem Stadtbild. Doch mit unglaublicher Detailvielfalt und kreativem Ideenreichtum wurden Rekonstruktion und Neubau begonnen. Unter den reich verzierten Stufengiebeln der neuen Kaufmannshäuser zeigen sich Renaissanceputten, leuchten hanseatische Hauszeichen und alte deutsche Inschriften stehen neben modernen vielfarbigen Ziermustern.
Mein erster Eindruck war verwirrend: Kulisse. Mein zweiter: Begeisterung. Und Hochachtung vor diesem Kraftakt, die zerstörte Stadt zu retten. Mit Ausdauer und Hingabe wurden alte Architekturpläne und Fotos als Grundlage des Wiederaufbaus gesammelt, gesichtet und vermessen. Mit Energie und unter Beteiligung Vieler wurden die sich auftürmenden Trümmer nach erhaltenen steinernen Kostbarkeiten und unverkohlten Relikten durchsucht. In Zeiten konstanter Materialknappheit und angesichts mangelnder Maschinen begann der Neubau. Die einstige Patrizierstadt als Wohnort des ‚Proletariats’ war einer der Gedanken – ein anderer: die alte Hansestadt doch zu bewahren.
Große Flächen in der Innenstadt sind leer geblieben. Auf manchen finden Bäume und grüne Wildwuchsecken ihre Nischen, manche sind mit Plattenbauten grobschlächtig bebaut und zwischendrin wächst mehr oder weniger gelungen moderne Architektur. Danzig bleibt eine Stadt im Wandel. Die deutsche Vergangenheit, so scheint es, wird angesichts einer bewussten polnischen Identität gelassen akzeptiert.

5. Die Frauengasse zur Danziger Marienkirche

Auf polnisch heißt die Gasse ul. Mariacka und benennt damit eindeutig, um welche Frau es geht. Auf deutsch müsste sie Unserer Lieben Frau heißen, doch irgendwann entfiel der Gedanke an Maria und übrig blieb die Frauengasse. Im Krieg wurde sie komplett zerstört. Und dennoch ist die Frauengasse, wie mein kunstsinniger stadtgeschichtlich versierter Ferienwohnungsvermieter traurig bemerkt, die einzige Gasse mit dem Flair des alten Danzigs. Der Grund sind die wiederrichteten Beischläge, die erhöhte Terassen vor den Eingangstüren. Sie sind ein Platz für Bänke und Kübelpflanzen, verziert mit steingehauenen geschmückten Schranken und tierischen Wasserspeiern. Tagsüber ist die Frauengasse ein Bernsteinumschlagplatz. Am Abend, in der blauen Stunde, beginnt ihr Charme zu leuchten.

Die Danziger Marienkirche wirkt außen recht schmucklos und ist innen ein lichter Koloss. Außen Backstein, innen fast weiß. Fast 160 Jahre lang wurde an diesem in Stein geformten Stolz der Hanse gebaut. Mit seiner Fertigstellung entstand die weltweit größte Hallenkirche. Bautechnisch fast verwegen wollten sich die Bauherren mit ihren Plänen von anderen hanseatischen Backsteinbauten deutlich unterscheiden und stützten die Außenwände der Halle nicht auf äußere Strebepfeiler sondern innere Kappellenzeilen. Auch der übliche polygonale Chorabschluß wurde zugunsten eines Rechtecks nach englischem Vorbild abgeschnitten. Im Inneren des Kirchraums sind prachtvolle Altäre und Grabmäler erhalten. Der schlesische Barockdichter Martin Opitz wurde hier bestattet, seine abgetretene Grabplatte liegt im Kirchenschiff.
Mich fasziniert auf dem Stufenpodest ein Taufbecken, um das sich Skulpturen der Heiligen gruppieren. Jahrhundertelang stand es in der Johanniskirche, jetzt fand es Exil in St. Marien.
Die Stunde schlägt seit 1470 in St. Marien. Damals beendete der Thorner „Zeigermeister“ Hans Düringer sein Wunderwerk, die astronomische Uhr. Auf der Seite des Gehäuses soll er sich selbst dargestellt haben.
Anschließend lohnt sich die Turmbesteigung, nach 402 Stufen bietet sich sicherlich ein weiter Ausblick über Danzig. (Ich bin unten geblieben)

Bitte meine guten Brüder
auf die Musik und ein Glas!
Kein Ding schickt sich, dünkt mich, bass
als gut Trank und gute Lieder.
Lass ich gleich nicht viel zu erben,
ei, so hab ich edlen Wein!
Will mit andern lustig sein,
muss ich gleich alleine sterben.
Martin Opitz https://www.gedichte-lyrik-online.de/carpe-diem.html

Und sonst …..
Es lohnt sich, durch die weniger touristisch frequentierten Gassen zu flanieren, das Zeughaus mit seinen wechselnden Kunstausstellungen zu entdecken (Piwna), die Galerie mit Werken von Günter Grass zu besuchen oder an den Geburtshäusern von Arthur Schopenhauer und Daniel Gabriel Fahrenheit vorbei zu schlendern.

6. Die Danziger Altstadt

Meine Danziger Herberge war eine Ferienwohnung im Viertel der Altstadt. Sie ist, so wie die Rechtsstadt, eine der Siedlungsgebiete der alten Kernstadt und trotz ihrer Benennung nur Teil der gesamten Altstadt. Aus den Fenstern schaue ich auf den Turm und das schwere Schiff der Katharinenkirche am Radaunekanal. Sie ist mit ihrer Bauzeit ab 1230 eine der ältesten Danziger Kirchen. Ich bestaune das gotische Netzgewölbe und verharre am Grab des Danziger Astronomen Johannes Hevelius, der hier 1687 beigesetzt wurde. Seine Gedanken wanderten zu den Sternen, als erster Wissenschaftler kartographierte er die Mondlandschaft. St. Katharinen ist, wie alle großen gotischen Kirchen in Danzig, nicht mehr hanseatisch protestantisch sondern katholisch wie einst vor der Reformation. Ein Karmelitermönch kommt auf mich zu, führt mich erzählfreudig und herzlich durch seine Kirche und zeigt mir begeistert, als sei es ein Geheimnis, die neuen massiven stilvollen Holzmöbel in der Sakristei. St. Katharinen ist nicht luxussaniert wie St. Marien, die Spuren der Zeit sind ihr anzusehen. Vielleicht mag ich diese Kirche deshalb besonders.
Gegenüber steht einer der größten mittelalterlichen Wirtschaftsbauten Europas und scheint hauptsächlich Dach zu sein. Die Große Mühle wurde von 18 Mühlrädern angetrieben und war ein Symbol des Reichtums der mit Getreide handelnden Stadt. Heute beherbergen ihre Mauern das Bernsteinmuseum / Museum Bursztynu. Nebenan liegt ein kleiner oft gut besuchter Park in dem ein Denkmal für Johannes Hevelius in die Sterne weist.
Auf der anderen Seite der Kirche, einige Schritte entfernt, erhebt sich ein Turm der einst schützenden Stadtbefestigung neben den Markthallen / Hala Targowa und der Kirche St. Nikolai. Dort wo die architektonisch interessanten Markthallen seit 1896 stehen, beteten zuvor Dominikanermönche. Jetzt wird hier ein Sammelsurium verschiedenster Waren feilgeboten und vor den Hallen gibt es das ausgezeichnete Angebot der Obst- und Gemüsestände.

Hinter dem Kirchhof der Katharinenkirche am Ufer des Radaunekanals steht die Kirche der Heiligen Brigitte. Sie wurde in den 1970er Jahren wieder aufgebaut und gehört zu den backsteingotischen Perlen. Ihre Bedeutung der letzten Jahrzehnte liegt in der von Anfang an unerschütterlichen Unterstützung der jungen Solidarność-Bewegung durch Pfarrer und Gemeinde. In ihrem Chor glänzt der modern inspirierte Bernsteinaltar. Sie ist die einzige Danziger Kirche, die Eintritt verlangt und die einzige, in der kein Wort einer Fremdsprache zu lesen ist. Im Altar schwebt statt des Heiligen Geistes der polnische Adler vor den polnischen Nationalfarben.

7. Die Danziger Vorstadt als Teil der Altstadt

Die Vorstadt ist durch eine dieser verkehrtechnischen Schneisen von der Rechtsstadt getrennt, die so viele nach dem Krieg wieder aufgebaute Städte zerstören. Dort wo früher der Stadtgraben und ein Bassin der Mottlau lagen, dröhnen heute die Autos. Nachdem ich erfolgreich die Schnellstraße passiere, erreiche ich das ruhige, dünn bebaute Quartier der Vorstadt, die ebenfalls ein Teil der historischen Altstadt ist. Nicht weit entfernt von den bebenden Straßen der Rechtsstadt scheint der dickfällige Turm der gotischen St. Peter und Paul Kirche über die Feierabendruhe zu wachen. Er ist nur halb so hoch wie der Zeigefinger des Rechtsstädtischen Rathauses und markiert eine mehrfach wiederaufgebaute doch sehenswerte Hallenkirche.

Mein Ziel ist die St.-Trinitatis-Kirche im Komplex des Franziskanerklosters. Mit ihrer breiten spätgotischen Fassade zeigt sie gemeinsam mit der St.Annen-Kirche ihre sehenswerte Blendfassade. Der Komplex beherbergt das Nationalmuseum/Muzeum Narodowe w Gdańsku. Dieses wunderbar altmodische Museum birgt großartige Kunstschätze und hat mir viele Einblicke in die Danziger Geschichte gegeben. Der Vermieter meiner Ferienwohnung hat mir das Orgelkonzert in St. Trinitatis empfohlen. Der wunderbare Klang der neuen Orgel hinter ihrem schmucken alten Prospekt ist ein besonderes Erlebnis. 

8. Das Kriegsmuseum, die Danziger Werft und ihre neue Szene

Genug der alten Stadtteile. Ich mache eine entspannende Pause in einem der Liegestuhlcafés an der Mündung des Radaunekanals in die Mottlau. Das nächste Ziel ist das Museum des Zweiten Weltkrieges / Muzeum II Wojny Światowej. Blutrot und schräg gestellt steht das Gebäude auf weitem Gelände. Eine Seite der keilförmigen Fassade ist verspiegelt und so wird jeder Betrachter Teil des Geschehens. Um die Ausstellung zu erreichen, müssen Besucher bis ins dritte Untergeschoß fahren oder steigen. In die Hölle des Krieges. Das Architekturbüro Kwadrat hat eindrückliche Räumlichkeiten für das furchtbare Thema entworfen. Das Museum ist an diesem sonnigen warmen Tag sehr gut besucht, die Ausstellung ist in Polen nicht unumstritten. Für alle, die Polen und Mitteleuropa verstehen wollen, ist der Rundgang in diesem eindrücklich gestalteten Haus eine Empfehlung. 

„The Second World War was the most tragic conflict in the history of humanity. It was launched by the totalitarian regimes of Germany and the Soviet Union, which cooperated with each other. … Now, just as then, freedom, dignity and life, for which millions of people made sacrifices in 1939 – 1945, are universal values.“

Muzeum II Wojny Światowej /Museum des Zweiten Weltkrieges / MIIWŚ

In Gedanken an die sehr nachdenkliche, informative und didaktisch moderne Präsentation und Interpretation spaziere ich durch ein gentrifiziertes Neubaugebiet zum Eingang der Danziger Werft. Das historische Tor Nr. 2 der ehemaligen Lenin-Werft. Hier schoss 1970 die Miliz auf streikende Werftarbeiter und hier wurde 1980 die Gewerkschaft Solidarność gegründet. Ohne sie wäre möglicherweise die europäische Geschichte anders verlaufen.
Vor dem Werktor erinnert ein Mahnmal an die ermordeten Werftarbeiter. Frauen legen mit ihren Kindern Luftballons und Blumen nieder. Den Platz überragt das 2014 eröffnete Europäische Zentrum der Solidariät, das Solidarność – Museum. Außen Cortenstahl, im inneren Erdgeschoß ein grüner Garten. Das Zentrum ist einerseits ein eindringliches Museum, in dem anhand von zahlreichen Fotos, Filmen und Gegenständen die „Wege in die Freiheit“ den Kampf der Solidarność zeigen. Die Holztafeln auf denen Werftarbeiter ihre 21 Forderungen niederschrieben sind Welterbe der UNESCO. Andererseits ist es ein Zentrum des demokratischen Dialogs und unterstützt Freiheit und Solidarität angesichts autoritärer Staaten. Das Museum ist ein interaktiver, experimenteller Ort, in dem sehr plastisch die Lebensverhältnisse im damaligen Danzig und der Kampf um die Freiheit veranschaulicht werden. Hinter der rostenden Stahlschale verbirgt sich Erfahrung: der Kampf für eine solidarische, freiheitliche Zukunft lohnt sich.

Die Danziger Werft ist ein riesiges Gelände aus der preußischen Kaiserzeit. Zu großen Teilen liegt sie leer und verlassen. Mein Rundgang ist bedrückend, nur selten Lost Place Romantik. Von den ehemals fast 20.000 Arbeitsplätzen sind nur sehr wenige noch erhalten. Der ehemalige BHP-Saal der Arbeitsschutzstelle in dem sich die Solidarność versammelte, ist restauriert. Viele der übrigen Gebäude verfallen, die riesigen Ladekräne ragen hilflos und ohne Transportgut in den Danziger Himmel. Einer von ihnen kann gegen Eintrittsgebühr bestiegen werden, mir gefällt der Blick von oben bis fast zum Meer. Ich schlendere ein wenig weiter, irgendwo hier in den offen gelassenen Hallen soll das neue Club-Leben brummen. Jetzt ist die falsche Tageszeit. Doch dann finde ich in der Straße der Elektriker / Ulica Elektryków die wild begonnene und nun etablierte Kulturszene. Hinter knallorangefarbenem Mobiliar stehen drei Street-Food Stände, eine weitere Halle für Musikveranstaltungen ist gerade geschlossen. Leider verbirgt sich auch die Street Art zur nachmittäglichen Stunde hinter nicht öffnenden Türen. Noch zwei Straßen weiter ist das Motto zwischen 20 buntbemalten Seecontainern einfach: chillen. Gut essen und auf das Wasser schauen. Das Projekt heißt 100cznia / ul. Jerzego Popiełuszki und verführt später zum Sonnenuntergang.

Jetzt um Punkt 14 Uhr kommen mir auf einer provisorisch anmutenden Brücke Männer in Arbeitskleidung entgegen. Schichtende. Am anderen Ende der Brücke steigen sie in ihre geparkten älteren Autos, scheinen mit auf Motorrädern heranrauschenden Typen Geschäfte abzuschließen und kurz vor der Straßenbahnhaltestelle gehen einige in einen Laden, der sich Kiosk nennt.
Die große Zeit der Hansen, der Werften, der Danziger Schifffahrt ist vorbei. Eine neue hoffentlich erfolgreiche Entwicklung beginnt.

9. Am Strand in Zoppot / Sopot

Die Bootsfahrt vom Anleger an der innerstädtischen Mottlau nach Zoppot / Sopot lässt mir den Wind durch die Haare streichen. Der ehemals so wichtige Handelshafen, der jahrhundertelang der Beginn der Bernsteinstraße für den Handel mit den „Tränen der Sonne“ war, ist eine riesige rostende Anlage. Noch werden an einige Sciffe repariert und Schüttgut verladen.

Hier und da qualmt es aus hohen Schornsteinen in giftigen Farben. Container, die Gewinnbringer der Logistikindustrie, sehe ich keine. Der wichtige polnische Hafen ist das einige Kilometer weiter nördlich gelegene Gdingen / Gdynia.
Dann taucht auf der rechten Seite die Westerplatte mit ihrem markanten Kriegsdenkmal auf. Mit dem Beschuss des damaligen polnischen Munitionsdepots begann der 2. Weltkrieg.
Ankunft in Zoppot/ Sopot. Der Kurort liegt in den grünen Hügeln der Sandmoränenlandschaft, am Strand strahlt schon von Weitem sichtbar das weiße Ensemble des Kurhauses.

Hier finde ich diesen unglaublich hellen und feinen Sandstrand, der Rügen und den Darß lässig links liegen lässt. Und im Garten des Sierakowski-Herrenhauses eine ruhige Idylle bei einer perfekten Tasse Tee aus feinem Porzellan. Wie die hanseatischen europaweit vernetzten Reeder in ihren vornehmen Teestuben in ihrer Stadt Danzig an der Ostsee.

Das waren die Reisefrequenzen mit Tipps zum sehr sehenswerten Danzig und einem Ausflug nach Zoppot/Sopot.

Tipps für Danzig / Gdańsk
Was: Besuch in Danzig
Reisezeit: Im Frühjahr und Sommer ist es an den Wochenenden in der Danziger Rechtsstadt sehr voll, Jungesellen/innen Abschiede aus Skandinavien sind mit dabei. Zwischen den Wochenenden ist es besonders schön. Eine Woche Danzig inklusive Ostsee vergeht sehr schnell.
Anreise: Von Berlin aus ist Danzig gut mit dem Zug zu erreichen. Ab Grenze bei Frankfurt noch fünf Stunden Fahrt, 55,- € einfache Fahrt 1. Klasse und 45,- in der 2. Klasse ab Frankfurt/Oder. Direkt 12.52 ab Berlin Hbf (2023)
Infos zu Museen, Touristenkarten, Attraktionen: https://visitgdansk.com/de/corobic ,
https://www.gdansk.pl/de/touristisch
Food: Einige gute Tipps zum Essen gibt es hier https://exploregdansk.info/de/praktische-tipps/orte-zum-essen-in-danzig/
Schiff: Nach Sopot geht es mit Zeluga: https://www.zegluga.pl/kreuzfahrt-gdansk-sopot
Seebrücke: Die Seebrücke in Sopot ist kostenpflichtig (2023: 10 Zloty) mit Ticket fürs Schiff halber Preis.

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