Groß Kreutz – Trechwitz – Netzen. Vom Gutshaus Klein-Sanssouci ins europäische Vogelschutzgebiet.

Wiese mit Mohn- und Kornblumen
Brandenburg
Groß Kreutz - Trechwitz - Netzen. Vom Gutshaus Klein-Sanssouci ins europäische Vogelschutzgebiet.
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Hallo! Hier sind die Reisefrequenzen. Heute unterwegs von Groß Kreutz (Havel) zum europäischen Vogelschutzgebiet am Netzener und Rietzer See. Südöstlich von Brandenburg, nicht weit von Lehnin. Der kunsthistorische Überraschungs- und Höhepunkt ist das Herrenhaus in Groß Kreutz.

1. Groß Kreutz

Das Dorf Groß Kreutz ist auf unserem Ausflug der Ausgangspunkt und ein eher zufälliger Besuch. Groß Kreutz liegt zwischen der Hochfläche der Zauche und der feuchten Havelniederung. Hier führt die alte Verbindungsstrecke zwischen Berlin und Brandenburg entlang, heute ist das die Bundesstraße 1 und die Bahntrasse RE 1 in Richtung Magdeburg.
Unzählige Male bin ich durch Groß Kreutz gereist, schnell im vorüberhuschen und nie habe ich das schöne Dorf gesehen. Langsamer gehen und schauen bleibt uns ein schöner Weg. Wie immer nehme ich Euch gerne mit.
Wir folgen der Bahnhofstraße bis zur Kirche von Groß Kreutz, die hinter der massiven Friedhofsmauer steht. Trutzig scheint die mittelalterliche Feldsteinkirche, doch ihr heller Turm überragt galant den festen Bau. Eine spätbarocke Schweifhaube krönt den Aufbau von 1775. An der coronabedingt geschlossenen Kirchentür hängt zum Mitnehmen ein Blatt mit geistlichen Gedanken. 

Kirche in Groß Kreutz
Die Kirche in Groß Kreutz

Noch stehen die Bäume unbelaubt und lassen der Sicht den freien Raum. Ich werde dieses Licht des frühen Jahres vermissen, wenn erst das Gleißende des Sommers kommt. 
Der Friedhof von Groß Kreutz ist frisch geharkt, die Veilchen und die Blausterne verwandeln die Gräber in ein Blütenfeld. 
Östlich der Kirche sind die Grabstetten der Familie von der Marwitz-Friedersdorf, die im 19. und 20. Jahrhundert bis zur Enteignung 1945 die Gutsherren in Groß Kreutz waren.
„Hier schläft in ewigem Frieden Gebhard von der Marwitz, geb. 21.11.1890. Er fiel für König und Vaterland am 1.12.1914 auf einem Patrouillenritt als Fähnrich im Ulanen Regiment.” 24 Jahre alt. Wieviel schöner wäre ein friedliches, langes hiesiges Leben vor dem ewigen gewesen.

Neben dem Kirchhof betrachten wir auf einem kleinen gepflegten Platz das sandsteinerne Gefallenendenkmal für die Toten des 1. und 2. Weltkriegs. Neun Männer werden aus den Kriegen noch vermisst. Das kleine Dorf trägt wie jedes andere die europäische Geschichte. Gut, dass das Mahnmal nicht verloren ist.
Rechts hat sich die Dorfaue entlang der Straße ausgestreckt. Im ersten Haus arbeitet die „Sauberkunst“, der Duft legt eine Fährte. Der Betrieb produziert Seifen, als Sauberkunst sind sie ein Augenschmaus. Perfekte Schönheiten mit Goldstaub überpudert, vegan, nachhaltig und lokal. Hübsch sind die Seifen anzusehen, die Mitarbeiter sind recht still.

Gutshaus in Groß Kreutz
Das Gutshaus in Groß Kreutz

Gegenüber an der Kopfsteinpflasterstraße steht das alte Gutshaus von Groß Kreutz. Es ist ein überraschend schöner Bau. Teils ist es renoviert, teils sind die Eigentümer noch dabei. Ein wenig, ein ganz klein wenig erinnert uns das Herrenhaus an das Potsdamer Schloss Sanssouci. Die kleine Schwester auf dem Land, auch sie ganz Rokoko. Das Haus wurde 1765–1767 für Carl Botho Gottfried von Hacke wahrscheinlich vom Berliner Oberbaudirektor Friedrich Wilhelm Dieterichs erbaut. Dieterichs, der als Mitarbeiter von Knobelsdorff, dem Architekten Sanssoucis, den Potsdamer Weinberg terrassierte und die schöne, im Krieg zerstörte Bethlehemskirche in Berlin baute.

Das Gutshaus in Groß Kreutz

Eingeschossig über hohem Kellergeschoss steht das hellgelbe Groß Kreutzer Herrenhaus, die Fenster variiert angeordneten Fenster sind halb zersplittert und verbrettert, die Farbe ist schon neu. Innen muss es ein ovales Vestibül geben und einen großen Saal zum Garten. Einst war der Saal mit illusionistischer Architekturmalerei ausgestaltet, die vom Theatermaler Karl Friedrich Fechhelm auf Leinwand produziert wurden. So auch das klassizistische Verwalterhaus von 1847, für Veranstaltungen ist es schmuck wieder hergestellt. Ein großes offenes Tor führt in den Vierseiten-Wirtschaftshof, in dem eine prachtvolle Weide vor einer riesigen Feldsteinscheune steht. Das Anwesen ist Work in progress. 

Wirtschaftshof des Gutes in Groß Kreutz
Wirtschaftshof des Gutes in Groß Kreutz

Groß Kreutz ist ein sehr altes Dorf. Gutshof, Pfarrhaus und die Kirche bilden noch immer den Kern. Der Name, so wird angenommen, kommt aus dem slawischen und bezeichnet überraschend einen Birnbaum. Die Besitzer des Ortes wechselten durch die Jahrhunderte. Die Rochows, ab 1604 dann die von Hakes, es folgten die von Arnstadts und schließlich 1875 die von der Marwitz. Auf dem Gutsgelände entstand nach der Enteignung 1945 ein Versuchs- und Lehrgut. 1994 kauften zwei Enkel des letzten Gutsbesitzers Bodo von der Marwitz-Friedersdorf das Gut zurück. 
Der ganze Dorfkern ist noch da. Die Dorfaue, Kirche, Pfarrhaus und das Herrenhaus.    
Am alten Strohhaus, das einst zur Schäferei gehörte und jetzt Kulturhaus ist vorbei, verlassen wir Groß Kreutz. 

2. Trechwitz

In Trechwitz passieren wir die rosafarbene Kirche, gestiftet von Ludolf Ehrenreich von Rochow und vom Baumeister Friedrich II., von Knobesldorff, 1750 errichtet. Wenn die Kirchen wieder offen sind, dann lohnt sich der Besuch des barocken Taufengels im Inneren. Im Vorübergehen hören wir die Schläge der ältesten Glocke Brandenburgs von 1233.
Nach einer halben Runde um den See erreichen wir das Dorf mit Namen Netzen.

3. Netzen

Die gelbe, aus Ziegeln gepflasterte Backsteinstraße ist das Schmuckstück der Gemeinde.

Mit gelben Ziegeln gepflasterte Straße in Netzten
Ziegelgepflasterte Straße in Netzen

Hinter dem Dorf Netzen beginnt der holprige Plattenweg bis zum schnurgeraden Emster Kanal. Wir gehen den guten Kilometer dieses Naturlehrpfades durch die Feldmark bis zum kanalisierten Wasserweg. Am Emster Kanal führt der Lehrpfad rechts im Halbkreis zurück nach Netzen, in 3 km sind wir wieder da. Schräg gegenüber liegt die Burg des Bibers, seine gefräßigen Spuren sehen wir an den zersplitterten Baumstämmen immer wieder.

Emster Kanal
Der Emster Kanal

Wir gehen linkerhand. Ein paar Schritte am Kanal entlang und dann einfach durch die Wiese, der Weg ist ausgeschildert. Hinter einem Gebüsch taucht der Vogelbeobachtungsturm auf. Er steht am Streng bei Netzen, der seengleichen Wiedervernässungsfläche zwischen dem Rietzer- und dem Netzener See. Wir warten bis endlich das hustende Paar verschwindet, bevor wir die Treppe im Turm besteigen. Von oben aus schweift unser Blick über die größte Kolonie des Schwarzhalstauchers in Deutschland. Zahlreiche Entenarten und die Möwen überlassen ihre Körper mit unterschiedlicher Geschicklichkeit dem Luftwiderstand. Je nach Jahreszeit ziehen die Seeschwalben, die tausende von Saat- und Blassgänsen und bis zu 4.000 Kraniche vorbei. Plötzlich fliegt ein Eisvogel vorüber, das blaue Gefieder haben wir gerade noch erkannt. Am Ufer stehen Silber- und Graureiher, Kormorane kommen pfeilgerade und ein Schwan sucht seinen Partner.

Im Vogelbeobachtungsturm am Streng bei Netzen hat der NABU freundlich an alle Vergesslichen gedacht und zwei Ferngläser am Balken festgekettet. Sie sind für alle zu benutzen. Wir haben zwar unsere Feldstecher dabei, aber das schützt nicht vor Unwissenheit und wir studieren unverhohlen die bereitgestellten Informationen. Die Aussicht vom Beobachtungsturm am Streng über das Niedermoorgebiet lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Wir sind ganz still und stehen halbstundenlang und schauen über Schilf und See. 

Vogelschutzgebiet am Streng

Unser Weg führt dann 9 Kilometer entlang der ausgedehnten Schilfgebiete, der Feuchtwiesen und Äcker durch das europäische Vogelschutzgebiet im Uhrzeigersinn um den Streng zurück nach Netzen. Wie schön, die in Brandenburg rastenden Vögel zu beobachten.

Das waren die Reisefrequenzen. Heute in Groß Kreutz, Trechwitz und Netzten, im europäischen Vogelschutzgebiet Rietzer See, Streng und Netzener See. Nah ist‘s auch schön.

Tipps für Euren Besuch in Groß Kreutz und am Rietzer und Netzener See:
Wo: Von Groß Kreutz über Trechwitz zum Netzener und Rietzer See
Was: Dorfrundgang, Vogelbeobachtung, eine leichte 9 km lange Wanderung.
Wir sind die gesamte Strecke von Groß Kreutz bis Netzen mit dem Fahrrad gefahren. Das geht problemlos, jedoch, die Ziele sind schöner als der Weg.
Der Emster Kanal ist eine gute Strecke zum Rudern.
Inspiration: Rietzer See, Streng und Netzener See sind Teile des europäischen Vogelschutzgebietes, es gibt mehrere Uferwanderstrecken und auch in Rietz im Ort einen Vogelbeobachtungsturm. Ein weiterer Weg führt in gut 7 km bis nach Lehnin.
Alle Wege sind gut ausgeschildert.
Ein Besuch in der Gegend lässt sich mit einem Besuch des Klosters Lehnin verbinden. Kloster Lehnin. Die Vision unter der Eiche.
♥️ Unser Lieblingsplatz: Das europäische Schutzgebiet am Streng.

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2 Gedanken zu „Groß Kreutz – Trechwitz – Netzen. Vom Gutshaus Klein-Sanssouci ins europäische Vogelschutzgebiet.“

  1. Was für ein schöner Bericht. Wieder laden mich Gitarrenklänge ein und schon erfahre ich mehr von meiner Reiseleiterin. In Groß Kreutz nehme ich gern den Zettel von der Kirchentür, um mich mit geistlichen Gedanken Wesentlichem zuzuwenden. Auch wenn mich dann die “Sauberkunst” begeistert, mahnt doch gleich die älteste Glocke Brandenburgs in Trechwitz zu Wertbeständigem. Und dann nimmt mich die einzigartige Landschaft mit Emster-Kanal, dem Rietzer-und dem Netzener-See und die sie belebende wunderbar vielfältige Vogelgesellschaft staunend gefangen.

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    • Liebe Elisabeth, danke Dir, liebe treue Leserin! Es freut mich, wenn meine Berichte vergnüglich sind. Die Landschaft ist es auf jeden Fall und zu jeder Jahreszeit. Herzliche Grüße!

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