Hallo! Willkommen bei den Reisefrequenzen, heute unterwegs in der Universitätsstadt Cluj–Napoca, früher Klausenburg, in Rumänien. Cluj, wie die Stadt einfach und liebevoll genannt wird, liegt eingebettet zwischen Hügeln und fruchtbaren Feldern in Siebenbürgen. Eine zwischen mondän und bäuerlich changierende interessante Altstadt ist die Attraktion. Cluj-Napoca war römisches Castrum, als Klausenburg Hauptstadt der deutschsprachigen Siebenbürger Sachsen, Teil Ungarns und des Habsburger Reiches und schließlich rumänische Kreisstadt.
Seit der Diktator Ceaușescu im 20. Jahrhundert die rumänische Identität puschen wollte, trägt die Stadt Cluj zusätzlich den Namen des ehemals an diesem Ort existierenden römischen Militärlagers: Cluj – Napoca. Inzwischen ist Cluj eine lebendige Studentenstadt und Boomtown der jungen IT-Branche. Etwa 23% der Einwohner sprechen ungarisch als ihre Muttersprache, noch 2% deutsch. Die meisten Einwohner von Cluj sind orthodoxen Glaubens, die ungarischen Rumänen katholisch und die deutschsprachigen Siebenbürger Sachsen gehören der protestantischen Kirche an. Cluj ist eine multiethnische und multireligiöse Stadt.
Der Somesul Mic / Kleine Somesch, früher die Lebensader der wachsenden Siedlung, fließt kanalisiert zwischen den Häuserreihen. Ganz in der Nähe stand die Stadtmauer und eines der längst abgetragenen Stadttore führte ins mittelalterliche Straßengewirr des sächsischen Klausenburgs.
Mein erstes Ziel ist der weite Unirii-Platz / Piaţa Unirii mit der erhabenen Michaelskirche. Vor ihrer gotischen Fassade possiert überdimensional und in Bronze Matthias Corvinus, der einzige in Cluj geborenen ungarische König und große Eroberer. Er kam am 23. Februar 1443 im nahegelegen Haus der Familie Méhffi in der Strada Matei Corvin 6 zur Welt und seine Geburtsstätte ist heute das letzte verbliebene Gebäude des 15. Jahrhunderts in Cluj. Seit 1950 gehört das Matthias Corvinus Haus der Uni für Kunst und Design.
Die mittelalterliche Hallenkirche St. Michael wurde zwischen 1566 und 1716 von der deutschsprachigen unitarischen Gemeinde genutzt, anschließend zogen die katholischen Ungarn ein. Trotz religiöser Konflikte hat es in Siebenbürgen keine brutalen Glaubenskriege gegeben. Heute prägen mehr als zehn verschiedene Glaubensgemeinschaften das religiöse Leben. Meine Blicke schweifen über die farbintensiven Fresken an den Kirchenwänden. Zufällig übt ein Orchester und zusätzlich erfüllt kräftiger Orgelklang die Michaelskirche.


Fast wäre ich achtlos vorübergeschlendert, dann halte ich inne. In der südlichen Ecke des Unirii–Platzes stehen sieben hölzerne ungrade Säulen. Die Pfähle erinnern an die 26 Toten und 57 Verletzen die während der Dezember-Demonstration 1989 gegen das Ceaușescu– Regime auf die Straße gingen. Das Märtyrer-Denkmal steht an der Stelle des Geschehens und wurde von Liviu Mocan entworfen.
Ab 1790 war Klausenburg die Hauptstadt des Großfürstentums Siebenbürgen innerhalb des Habsburgerreichs. Der Adel zog in die Stadt und baute sich kleine und große Paläste, die bis heute die Straßen zieren. Die Familien der Rhédeys, der Jósikas, der Telekis und Babas ließen durch Architektur ihren Status spiegeln. Im Palais Bánffy, der heute das sehenswerte Kunstmuseum beherbergt, übernachtete Kaiserin Sissi mit ihrem Mann und Franz Liszt musizierte auf dem Klavier. Ein Stilmix aus Gotik, Barock, Eklektismus, Secession und Historismus bis zur sozialistischen Moderne prägt die niedrigen Bauten der Innenstadt. Das macht sie so abwechslungsreich und gleichzeitig gemütlich.
Eine Vielzahl sakraler Gebäude lohnt den Besuch. Die älteste Kirche der Franziskaner, die gotische Kirche der Reformierten, die maurisch anmutende Synagoge von Izidor Hegner außerhalb der Altstadt an der Hauptachse Richtung Bahnhof, die barocke griechisch-katholische Kirche von Francis Kitner und die gewichtige orthodoxe Kathedrale aus dem 20. Jahrhundert. Vor ihr steht auf dem Avram-Iancu-Marktplatz das Standbild des bewaffneten Avram Iancu, Anführer der rumänischen Nationalbewegung im Kampf gegen die Ungarn. Strengblickende rumänische Identität auf einer gebrochenen Säule.
Großzügige Kulturbauten, das Nationaltheater und die Nationaloper entstanden, Verwaltungsbauten wurden errichtet und endlich 1872, nachdem Siebenbürgen zu Ungarn kam, die zweite Universität Ungarns. Ich schlendere im Zickzack durch die großflächige Innenstadt.



Heute gibt es sechs Universitäten plus einige private Institute, etwa 45.000 Studenten lernen in Cluj. Auch deutsche Studis nutzen ein spezielles Angebot, um mit ca. 8000 € Gebühren im ersten Jahr ohne Numerus Klausus und ohne Aufnahmeprüfung in Cluj zu studieren. Die Hauptgebäude aus verschiedenen Jahrhunderten sind hübsch renoviert, die Straßenzüge dazwischen neu gepflastert.


Auf dem großzügigen Eroilor Boulevard, einer Haupteinkaufsstraße mit viel Platz für die Fußgänger, säugt die Skulptur einer Wölfin Romulus und Remus. Die identitätsstiftende Gruppe ist ein Geschenk aus Italien, überreicht 1921. Rumäniens römische Vergangenheit wird in jedem Satz hörbar. Die rumänische Sprache klingt melodisch wie italienisch und nutzt viele lateinische Begriffe. Beim Lesen ist mir manches verständlich, gesprochen bleibt sie mir ein Rätsel.



Genug der Besichtigung. Das Nachtleben, die Kultur- und Clubszene von Cluj gelten rumänienweit, so wird mir versichert, als herausragend. Szenelokale mit stylischem Interieur sind attraktiv und international austauschbar. Zwischen dem Museumsplatz / Piața Muzeului und dem Unirii-Platz gibt es in den gepflasterten Straßen der Fußgängerzone zahlreiche kulinarische Angebote, Lampions hängen über den Wegen, gemütliche Plätze laden auch am Nachmittag zu einer Pause. Das Essen ist global, Sushi, Pizza, alles da. Ich trinke ein hiesiges alkoholfreies Ursus-Bier und verzichte auf den traditionellen Klausenburger Speck dazu. Für das deftige Essen ist es zu warm, Tag für Tag steigt das Thermometer auf über 30°C.
Mein letzter Stop ist museal. Das Nationalmuseum der Geschichte Siebenbürgens/ Muzeul National de Istorie a Transilvaniei ist eine Fundgrube und ein Sammelsurium für alle, die mehr über Transsilvanien wissen möchten.
Tipps für Cluj – Napoca / Klausenburg in Rumänien
Reisezeit: Vom Frühjahr bis zum Herbst, im Sommer wird es mit ca. 30 Grad an einigen Tagen recht warm.
Hinkommen: Mit Wizzair zum Beispiel direkt von Berlin, 1.20 Stunden Flugzeit
Flughafen –> Innenstadt: Buslinien 5 und 8, Fahrschein am Automaten lösen und im Bus entwerten. Taxi ca. 12,– €
Infos: https://clujtourism.ro/de/home-4/
Sehenswürdigkeiten:
Essen & Trinken & Ausgehen:
Übernachten: Ich habe mich im RomaCluJ, 21a Strada Caracal wohlgefühlt. Hilfsbereite Gastgeber, geräumig und sauber, nahe des Hauptbahnhofs für An- und Abreise gut gelegen, ca. 15 Minuten zu Fuß ins Stadtzentrum.
♥️ Unser Lieblingsplatz in Cluj/Klausenburg: Die kleinen gepflasterten Straßen mit stillen Plätzen und stylischen Bars und Cafés zwischen dem Ethnographischen Museum und der Babes-Bolyia-Universität