Bodenwerder. Baron von Münchhausen und ein Rundgang durch die Stadt.

Gelbes Rapsfeld unter blauem Himmel
Nah ist’s auch schön
Bodenwerder. Baron von Münchhausen und ein Rundgang durch die Stadt.
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Hallo! Hier sind die Reisefrequenzen. Heute in Bodenwerder, der „Münchhausenstadt“ an der Weser.

Wir gehen auf den Spuren des Lügenbarons durch die kleine schmucke Fachwerkstadt Bodenwerder. Unser Motto: Alles Lüge. Oder: die schönsten Geschichten entstehen zuhause. Als Zutaten brauchte es damals Tabak, Punsch und eine Grotte. Und einen Mann mit jeder Menge Phantasie.

Erste Begegnung mit Baron von Münchhausen

Bodenwerder liegt im romantischen Weserbergland am träge gen Norden fließenden breiten Fluß. Ich nehme Euch mit in die Stadt hinein. Wir gehen einige Schritte vom Busbahnhof an Parkplätzen und Edeka vorbei und treffen auf den Held der Stadt. Hieronymus von Münchhausen ist allgegenwärtig. Bei unserer ersten Begegnung steht er an einem kleinen Teich und zieht sich selbst am Zopf. Statt weit über den Matsch zu springen, war er mitsamt dem Pferd im Sumpf gelandet. Schnell zog er sich und auch das Pferd am eigenen Schopf heraus. Die Leistung war so spektakulär, dass sie zum Sprichwort wurde.

Der Baron Münchhausen, Skulptur. Bodenwerder
Baron von Münchhausen in einer Lügengeschichte

Bis heute steht der Held an einem kleinen Weiher, gestiftet und in Bronze, in einem sehr gepflegten hübschen Park. Ursprünglich war hier Wasser und Bodenwerder eine Insel. Im Jahr 960 wird der Ort als Insula erwähnt, urkundlich aufgekauft vom Ritter Heinrich II. von Homburg. Um 1340 wird die Stadt befestigt und „Bodonis insula“, die Insel Bodo von Homburgs, benannt. Und irgendwann wird aus der Insel „Werder“. Das Werder von Bodo.
Heute ist, wo einst das Wasser war, die Straße. Der Nebenarm der Weser wurde 1948 zugeschüttet. Hier liegt das Gut Münchhausen, manchmal auch protzig Schloss genannt. Doch das Gebäude ist kein Vergleich zu den baulichen Ambitionen und finanziellen Möglichkeiten der Verwandten in Bevern, Schwöbber, Leitzkau. (Leitzkau. Weserrenaissance und Fake News nah der Elbe.) Es wäre fast vergessen, hätte nicht der weltberühmte Baron der Lügen an diesem Ort gelebt. 

Gutshof Münchhausen Bodenwerder
Gutshof

1. Münchhausen Gutshof

Es ist ein ländliches Idyll. Das Haupthaus stammt von 1603. Die Eltern des Barons, der Oberstleutnant der Kavallerie Georg Otto von Münchhausen und Sibylle Wilhelmine von Reden aus Hastenbeck zogen kurz vor der Geburt des Sohnes ein. Der Bau bleibt zweistöckig und schlicht, unten Sandstein, oben Fachwerk, weiß gestrichen. Seit 1936 ist es Rathaus.
1720 wird er am 11. Mai geboren. Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen, ein Ururenkel des erfolgreichen Söldnerführers und Bauherrn Hilmar von Münchhausen. Der Vater starb, als Hieronymus vier Jahre alt war, seine Mutter zog ihn und sieben Geschwister alleine groß. 
Mit 13 verlässt er Bodenwerder und wird am braunschweigischen Hof in Wolfenbüttel als Page eingesetzt. Im Dezember 1737 reist er, mitten im Winter, nach Russland und kommt im Februar 1738 dort an. Er wird dem braunschweigischen Herzog Anton Ulrich, der mit der vermuteten russischen Thronfolgerin Anna Leopoldowna verheiratet ist, auch als Soldat dienen. Schnell macht er standestypisch im Militär Karriere, die Lügengeschichte vom berühmten „Ritt auf der Kanonenkugel“ hat die Belagerung der osmanischen Krim-Festung Otschakow durch den russischen Oberbefehlshaber von Münnich zum Hintergrund. Hieronymus wird endlich zum Kaiserlich-Russischen Rittmeister befördert und heiratet die livländische Jacobine von Dunten, die später in Bodenwerder nie wieder die Ostsee sah. Zwischendurch ist die Jagd sein liebstes Hobby. 1750 kehrt er zurück nach Bodenwerder. 
31 Jahre alt, in Rente. Zeit zur Gutsverwaltung und für Geschichten.
Fast am Ende seines Lebens wird aus der Ruhe ein Debakel und statt einfallsreicher Schwindel trifft die bittere Wahrheit den Baron. Mit 73 Jahren heiratet er nach dem Tod von Jacobine seine Patentochter Bernhardine Brunsig von Brunn aus Polle. Sie ist 53 Jahre jünger, gerade 20 Jahre alt geworden. Schon kurz nach der Hochzeit kommt es zu Zerwürfnissen und zu Betrug. Jetzt sind die Lügen nicht mehr lustig. Wegen ehelicher Untreue reicht der Baron die Scheidung ein. In einem drei Jahre langen und ruinösen Prozess endet diese Ehe. Der Baron verliert fast sein gesamtes Vermögen. Das Gut Bodenwerder tritt er formell an seinen Neffen Wilhelm ab. Es sind die Anwälte von Bernhardine, die voll Verleumdung und Unterstellung den Baron Münchhausen als „Lügenbaron“ benennen. Adel und Mobbing.
Am 22. Februar 1797 stirbt Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen und wird in der nahen Kirche von Kemnade bestattet.

Das älteste Gebäude des Gutshofes ist die “Schulenburg“, die alte Stadtburg der Homburger Edelherren. Hieronymus und seine Frau ließen die Schulenburg erweitern, eine Platte über dem Eingang belegt den Umbau. Später wurde das Haus eine Gerberei mit Fachwerkaufbau und Fenstern zwecks Geruchsabzug. Heute ist es Museum und sobald wieder geöffnet ist, bleiben hier die Lügengeschichten nicht länger unter sich.

Das halbe Pferd desBaron von Münchhausen, Bodenwerder
Die Brennerei im Hintergrund

Gegenüber steht die alte Schnapsbrennerei schon lange auf dem Trockenen. Vor dem Gebäudeensemble reitet der Baron auf seinem halben Pferd, im Sommer trinkt es aus dem Brunnen. Nur weil es so viel säuft entdeckt der Reiter, dass ihm das halbe Pferd fehlt und reitet dennoch weiter. So zumindest erzählt es von Münchhausen.

Gutshof in Bodenwerder, Sandsteintisch
Vor dem Gutshof

2. Rundgang durch die Stadt Bodenwerder

An diesem schönen Sonnentag bummeln wir durch die Stadt. Die Altstadt ist zwei lange Straßenzüge breit. Vor uns steht die Kirche St. Nicolai aus rotem Sandstein. Im Grunde ist sie gotisch, erweitert und verändert vor gut hundert Jahren. Auf dem alten Kirchenschiff hockt ein Fachwerkaufbau mit einer Tür im Dachgeschoss und die Sonnenuhr, entdecke ich, hängt ein wenig schief.
Die “Große Straße” säumen neuere Häuser und auf dem baumbestandenen Marktplatz steht der große Brunnen für Münchhausen. Da hängt das Pferd an einer Kirchturmspitze, es flattern Enten aus Bronze mit Münchhausen an der Leine. Der Spionageritt auf einer Kugel ist auch dabei. Ein kleines Mädchen spielt im Brunnen, das Wasser sprudelt erst im April oder Mai.

Die Fachwerkhäuser in den schmalen Straßen sind charmant. Ich versuche ihre goldenen Inschriften zu entziffern. Sie nennen die Bauherren und ihre Ehefrauen und geben uns Gedanken mit auf die nächsten Schritte.
“Geringe klochheit Mit gots Fruchte ist beter den grote wisheit mit gots norachtung.” Plattdeutsch vor 500 Jahren. Geringe Klugheit mit Gottesfurcht ist besser als große Weisheit mit Gottesverachtung.  Oder “Thue nemande dan was man derdoen sol so gefelst du god und dem minidn wohl” Tue niemandem was man nicht dir tun soll so gefällst du Gott und den Menschen wohl.

Altstadthaus in Bodenwerder


Am Ende der Stadt steht der Festungsturm am Mühlentor. Lange Zeit war er der einzige Weg hinein oder hinaus. Wir gehen hinunter zur Weser und auf der Promenade langsam zurück. Gegenüber auf dem Eckberg hoch oben thront der Bismarckturm. Hier unten an der Weser legt bei Sonne und genügend Wasser die Oberweserdampfschifffahrtsgesellschaft mit ihren Booten an. Jetzt heißt sie einfach „Flotte-Weser“. Wir passieren die Skulptur vom anderen halben Pferd, der Kurschmied schleppt es mit offenen Eingeweiden zum Gutshof der Münchhausens.

3. Münchhausen-Grotte. Der Ort des Erzählens

Der Ort des Geschehens, der Ort des Erzählens liegt gegenüber des alten Wohnhauses am Hang. Am Fuß des Hopfenberges kommen uns zwei Schafe blökend entgegengerannt, sie sehen wild aus und nach einer alten Rasse. Dann steigen wir die Stufen hoch zur Grotte. 1763 ließ von Münchhausen sie ganz nach der Mode seiner Zeit errichten. Zwischen Herkules, der die Grenzen der bekannten Welt sprengte und Venus, der Verführerin, traf man sich zum Gespräch. 


Das Grotto war der Mittelpunkt der Lizenz zum Lügen. Die Münchhausengrotte ist ein kleiner Bau, fast so groß wie ein Weinbergshaus. Zweistöckig, der untere Raum mit fensterlosen Rahmen. Drinnen glitzern Halbedelsteine an den Wänden, Kerzen stehen bereit. Hier fanden die Lügengeschichten ihren Weg ans Licht. Flackernde Flammen, rauchiger Tabak und roter Punsch waren das Ambiente. Vielleicht wurde es dem Baron Münchhausen, der sich die Zeit weniger mit Büchern und der Wissenschaft als mit der Jagd vertrieb, doch langweilig in Bodenwerder. Mit Phantasie hat er sich die Welt geschaffen und vergrößert. Seine Geschichten sind eine Prahlerei, aus dem bloßen Schein wird unterhaltsames Jägerlatein. 
Der Baron tut, was wir alle tun. Jeder von uns lügt 25 bis 200 mal am Tag. Hieronymus von Münchhausen ist ein erstklassiger Fabulierer und lockt uns in das Land der Luftschlösser.

An eine Veröffentlichung seiner Geschichten dachte von Münchhausen nicht. Doch andere missachteten das Urheberrecht und ahnten Verdienst und Faszination. Rochus Graf zu Lynar veröffentlichte 1761 drei der Geschichten in Berlin und nannte den Autor nicht. Rudolf Erich Raspe stahl Geldmünzen im Wert von 3000 Talern aus Kassels Kunsthaus Ottoneum, floh nach England und veröffentlichte 1785 “Baron Münchhausens Narrative of His Marvellous Travels and Campaigns in Russia”. Die erste große Veröffentlichung war auf englisch. Ein Jahr später übersetzte Gottfried August Bürger den Text und fügte eigene Geschichten hinzu. 1911 schon wurde der Stoff zum ersten Mal verfilmt und 2012 mit Jan Josef Liefers derzeit zum letzten Mal.
Alles Lüge. Es bleibt die Phantasie und ein halbes Pferd.

Bodenwerder, Mpnchhausen Gutshof
Gutshof im Abendlicht

Das waren die Reisefrequenzen, heute auf einem Rundgang in Bodenwerder an der Weser. Beim “Lügenbaron” von Münchhausen im Weserbergland.

Tipps für Euren Rundgang in Bodenwerder:
Wo: Bodenwerder an der Weser
Was: Stadtbummel auf den Spuren des Lügenbarons
Hinkommen: Mit dem Rad auf dem Weserradweg, mit dem Ausflugsdampfer auf der Weser, mit dem Kanu paddelnd. Oder per Bus oder Pkw.
Münchhausen-Museum: http://www.muenchhausen-museum-bodenwerder.de/
Extratipps für Ausflüge von Bodenwerder: Die Klosterkirche in Kemnade. Die nahe Rühler Schweiz zum Wandern, in der Kirschblüte und wenn dort die Orchideen blühen. An die Weser geht‘s auch in Hameln an der Weser. Renaissance und Rattenfänger.
Inspiration: “Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen”
mehr Infos zur Familie von Münchhausen und Hilmar von Münchhausen in Leitzkau in Leitzkau. Weserrenaissance und Fake News nah der Elbe.
♥️ Unser Lieblingsplatz: Bei den Skulpturen des Baron Münchhausen. Am Picknicktisch aus Sandstein vor dem Gutshof.
🗝 Wir führen Euch gerne durch Bodenwerder und viele andere Orte der Reisefrequenzen.

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2 Gedanken zu „Bodenwerder. Baron von Münchhausen und ein Rundgang durch die Stadt.“

  1. Bodenwerder, das Städtchen an der Weser, und seinen berühmten Sohn Hieronymus von Münchhausen, dachte ich zu kennen. Doch in den “Reisefrequenzen” offenbart sich Ort und Person ganz neu.
    Bodenwerder war also eine Insel zwischen zwei Weserarmen. Und der berühmteste Bürger fabulierte auf Grund der Erlebnisse auf seinem Lebensweg. Die Hintergründe seiner Geschichten erfahre ich kenntnisreich und detailliert. Aus dem Lügenbaron wird so ein schätzenswerter Mensch aus Fleisch und Blut mit Humor und der Lust spannungsreich zu erzählen.
    Herzlichen Dank für diesen Gewinn mit wunderlichen, wunderbaren Reisegeschichten!

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